Geschichten

Bangladesch: Ein Blick zurück

Betreuung von Rohingya-Familien im grössten Flüchtlingslager der Welt

 

Der Einsatz von Medair in Bangladesch neigt sich dem Ende zu. Nach der Übergabe unserer Projekte an bewährte Partner blicken wir in Bildern zurück auf die wichtigsten Momente der vergangenen viereinhalb Jahre.

© Medair/Jonathan Kyle

Am 25. August 2017 und in den darauffolgenden Tagen und Wochen kam es zu Angriffen auf die Rohingya-Gemeinschaft im Staat Rakhine in Myanmar.

Die Rohingya, eine überwiegend muslimische Minderheit, waren seit Jahrzehnten Angriffen und Diskriminierungen ausgesetzt.

Nach den Angriffen im August 2017 flohen Hunderttausende aus ihren Häusern und brachten sich im benachbarten Bangladesch in Sicherheit.

© Medair/Jonathan Kyle

Innerhalb weniger Tage wurde das globale Nothilfeteam von Medair in den Süden Bangladeschs entsandt. Dorthin war der Grossteil der vertriebenen Rohingya geflohen. Viele von ihnen besassen nicht mehr als die Kleider, die sie am Leib trugen.

Gemeinsam mit der Regierung von Bangladesch, UN-Organisationen und vielen anderen Hilfsorganisationen unterstützte Medair die Geflüchteten mit Materialien zum Bau von Notunterkünften und Hygieneartikeln, um ihnen das Ankommen etwas zu erleichtern.

© Medair/Jonathan Kyle

Viele ankommende Familien waren schwer traumatisiert. Geschichten wie die von Lala waren leider keine Seltenheit.

Damals erzählte Lala unserem Team: «Mein Mann wurde getötet. Sie haben unser Haus angezündet und wir sind zu meinem Bruder geflüchtet. Wir sind zehn Tage bei ihm geblieben, dann wurde auch sein Haus angesteckt.

Da wurde uns klar, dass wir aus Myanmar wegmussten. Bangladesch war am nächsten. Ich weiss nicht, was aus uns werden soll. Es ist schwer, ohne meinen Mann.»

© Medair/Jonathan Kyle

Im Laufe der Wochen und Monate kamen immer mehr Familien und liessen sich so gut sie konnten in dem provisorischen Lager nieder.

Angesichts der grossen Not beschloss Medair, in Zusammenarbeit mit World Concern, einer Hilfsorganisation mit jahrzehntelanger Erfahrung in Bangladesch, weiterhin vor Ort aktiv zu bleiben.

© Medair/Jonathan Kyle

Die Teams von Medair konzentrierten sich auf verschiedene Bereiche der Unterstützung.

Dazu gehörte vor allem der Nahrungsmittelbedarf von schwangeren und stillenden Frauen sowie Kindern unter fünf Jahren. Im Rahmen dieses Programms wurden in den darauffolgenden Monaten und Jahren Tausende von Familien kostenlos mit Nahrungsmitteln versorgt

Elizabeth Karman, Leiterin Gesundheit und Ernährung (2019), schrieb damals über den Besuch bei einer Mutter, die gerade Drillinge zur Welt gebracht hatte: «Nachdem die Familie von einer Ernährungsberaterin begleitet wurde, nimmt sie jetzt an unserem Ernährungsprogramm teil und die Mutter erhält eine Stillberatung. Die Familie hat Anspruch auf Unterstützung in Form von Nahrungsmitteln, bis die Kinder fünf Jahre alt sind. So erhalten sie eine gute Ernährung, die eine solide Grundlage für eine lebenslange Gesundheit bildet.

Jedes in Kutupalong geborene Baby verdient die Chance auf ein gesundes und erfülltes Leben, und die Ernährungsteams arbeiten unermüdlich daran, dieses Ziel zu verwirklichen.»

© Medair/Jonathan Kyle

In zwei angrenzenden Lagern bot Medair auch kostenlose medizinische Grunddienste. Dort wurden Familien medizinisch betreut und von Freiwilligen Rohingya in ihren Unterkünften besucht.

Die Freiwilligen, die selber in den Teilen des Lagers leben, die sie betreuen, waren der Schlüssel zum Erfolg.

Ali, der im Januar 2019 seine Freiwilligenarbeit bei Medair begann, wusste zu erzählen: «Manchmal wollen die Leute nicht auf unsere Beratung und unsere Schulungen hören. Wir sagen ihnen, dass sie Massnahmen ergreifen müssen, um gesund zu bleiben, aber sie nehmen das nicht immer an. Es kann auch schwierig sein, Menschen zu motivieren, in die Gesundheitseinrichtung zu kommen, um sich behandeln zu lassen.

Also versuche ich, freundlich auf sie zuzugehen und ihnen zu sagen, dass die Gesundheitseinrichtung für sie offen ist und dass sie immer willkommen sind, hierher zu kommen. Manchmal, wenn sie krank werden und mich dann in der Einrichtung sehen, sagen sie mir: «Wir hätten auf deinen Rat hören sollen!»

© Medair/Jonathan Kyle

Unsere Teams kümmerten sich auch um die Instandhaltung der Unterkünfte, indem sie Kits mit Materialien wie Planen, Bambus, Seilen und Rohren bereitstellten, um die Unterkünfte vor der rauen Monsunzeit zu verstärken.

Das Team von Medair war auch für kurzfristige Nothilfemassnahmen bei schweren Überschwemmungen oder verheerenden Bränden in einem angrenzenden Lager mit rund 7.000 Familien zuständig.

Die Teams stellten Materialien für den Wiederaufbau von Unterkünften bereit und leisteten individuell Hilfe für besonders schutzbedürftige Personen wie ältere Menschen, alleinerziehende Mütter oder Menschen mit einer Behinderung. Sazzadul Munna, Projektverantwortlicher für Unterkünfte (2019-2021), erklärt: «Wir haben ihnen zusätzliche Unterstützung angeboten. Beispielsweise haben wir die Materialien direkt an die Unterkunft geliefert, Zimmerleute und Freiwillige geschickt, die beim Aufbau geholfen haben.»

© Medair/Jonathan Kyle

Wie überall hat Covid-19 weder Bangladesch noch die Rohingya-Lager verschont.

Im grössten Flüchtlingslager der Welt, unter solch beengten Bedingungen, war die Herausforderung gewaltig.

Carl Adams, Direktor von Medair in Bangladesch (2019-2020), erinnert sich : «Die Beschränkungen haben humanitäre Hilfsleistungen sehr erschwert.  Viele der wichtigen Grunddienste standen nicht mehr zur Verfügung. Darunter waren zum Beispiel sichere Spiel- und Lernplätze für Kinder, Schutz und Unterstützung für Überlebende häuslicher Gewalt, Hilfe im Bereich Unterkünfte und Infrastruktur oder Ernährungsdienste für Mütter und Kinder unter fünf Jahren. Die Familien versuchten, das Beste aus der Situation zu machen, und blieben in ihrem aus Bambus und Planen gebauten Raum.»

© Medair/Jonathan Kyle

Unsere Teams mussten neue Wege finden, um Hilfe zu leisten und der Ausbreitung des Virus vorzubeugen.

Im Rahmen einer Initiative verteilten unsere Gesundheitsteams Tausende von Hygienekits mit Gegenständen wie Seife, Desinfektionsmittel, Waschpulver oder Schutzmasken, um Geflüchteten zu helfen, sich vor dem Virus zu schützen.

Amira bekam ein solches Set. Sie erzählte uns: «Ich werde in der Gesundheitseinrichtung von Medair behandelt, da ich gesundheitliche Probleme habe. Aus diesem Grund gelte ich als Covid-19-Risikopatientin. Die Artikel sind für mich und meine Familie sehr hilfreich.»

Medair beteiligte sich auch an einer lagerweiten Aktion zur Impfung von Geflüchteten gegen Covid-19.

© Medair/Jonathan Kyle

Im Jahr 2021 fiel die Entscheidung, die Projekte schrittweise an qualifizierte Partner-NGOs zu übergeben.

David Verboom, Geschäftsführer von Medair, erklärte dazu: «Ein Programm zu schliessen ist keine leichte Entscheidung, besonders wenn der Bedarf weiterhin hoch ist. Aber wir sind sicher, dass unsere Arbeit von den humanitären Partnerorganisationen, die unsere Projekte übernommen haben, erfolgreich weitergeführt werden wird.

Mit ihrer Hilfe wird es keine Unterbrechung der Betreuung der geflüchteten Rohingya geben, und die grosse Mehrheit unserer Belegschaft kann ihre Arbeit wie gewünscht fortsetzen. Vor diesem Hintergrund glauben wir, dass es für Medair an der Zeit ist, an andere Orte zu gehen, wo es am meisten gebraucht wird, und so unserem Auftrag gerecht zu werden.»

© Medair/Jonathan Kyle

Obwohl die Hilfsorganisationen erhebliche Fortschritte bei der Unterstützung der Rohingya in dieser extrem schwierigen Zeit gemacht haben, ist die Krise noch lange nicht vorbei. Die Rohingya stehen immer noch vor einer sehr schwierigen und ungewissen Zukunft.

Rachel Hirons, Direktorin von Medair in Bangladesch (2020-2022), stellt fest: «Es gibt derzeit so viele Notsituationen auf der Welt, aber wir möchten die Öffentlichkeit eindringlich bitten, die Rohingya und ihre Aufnahmegemeinschaften nicht zu vergessen und die humanitäre Hilfe in Bangladesch weiterhin zu unterstützen.

«Die Rohingya haben uns wiederholt gesagt, dass sie sich danach sehnen, in Frieden und Sicherheit in ihre Heimat zurückzukehren, unter vollständiger Anerkennung ihrer Rechte. Dazu brauchen sie die kontinuierliche Unterstützung und Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft.»

© Medair/Jonathan Kyle

Jetzt, da die Zeit von Medair in Bangladesch zu Ende geht, möchten wir uns bei Ihnen allen bedanken, die Sie uns in diesen viereinhalb Jahren mit Spenden, Gebeten und kontinuierlicher Unterstützung für die Rohingya zur Seite gestanden haben.

 

Ohne Sie wäre unsere Arbeit nicht möglich gewesen!

 


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Medair ist eine internationale humanitäre Nichtregierungsorganisation, die Not- und Wiederaufbauhilfe für Familien leistet, die durch Naturkatastrophen, Konflikte und andere Krisen gefährdet sind.

 

Dieser Artikel wurde von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar. Einige Namen wurden aus Sicherheitsgründen geändert.

 

Für weitere Informationen über die Arbeit von Medair besuchen Sie unsere Website oder folgen Sie uns auf Twitter @MedairInt.

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