Geschichten

„Wir weisen niemanden ab“ Gesundheitsversorgung für alle

Das Gouvernement Lahj im Südosten des Jemen ist bekannt für seine Burgen und historischen Bauten. Im Jemen hat es jedoch auch als Schauplatz eines vier Monate andauernden schweren Konflikts im Jahr 2015 traurige Berühmtheit erlangt.

Das Gouvernement Lahj im Südosten des Jemen ist bekannt für seine Burgen und historischen Bauten. Im Jemen hat es jedoch auch als Schauplatz eines vier Monate andauernden schweren Konflikts im Jahr 2015 traurige Berühmtheit erlangt. Für die zweijährige Fatima ist Lahj das einzige Zuhause, das sie je gekannt hat: Hier brachte sich ihre Familie in Sicherheit, als die Kämpfe ihren Wohnort erreichten. Wir haben Fatima und ihre Mutter getroffen, als sie eine unserer mobilen Gesundheitseinrichtungen in Lahj besuchten.

Wie in anderen Teilen des Jemens ist auch in Lahj die Infrastruktur stark beschädigt. Schätzungen zufolge sind im Jemen nur 50 Prozent der Gesundheitseinrichtungen funktionsfähig, und fast 80 Prozent der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Wie so oft sind Menschen mit Behinderungen, Frauen und Kinder besonders stark betroffen. Obwohl auch das Gouvernement Lahj erheblich unter der Krise leidet, hat es fast 200 000 Menschen aus anderen Teilen des Landes aufgenommen.

Fatima und ihre Mutter leben zusammen mit etwa 5500 anderen Menschen in einem Camp, die meisten von ihnen sind Frauen und Kinder. Medair besucht das Camp regelmässig mit einem mobilen Caravan, in dem die Menschen medizinisch versorgt und gegen Mangelerscheinungen behandelt werden können.

Auch wenn die Camps Schutz vor den anhaltenden Konflikten bieten, können viele Menschen kaum ihren täglichen Bedarf decken

Dr. Rabea arbeitet in einer der beiden gut besuchten mobilen Caravans. «Wir kümmern uns nicht nur um die medizinische Grundversorgung, sondern auch darum, unterernährte Kinder mit Nährstoffen zu versorgen», sagt sie. «Wir wollen, dass die Menschen in diesen schweren Zeiten so gesund wie möglich bleiben. Wir weisen niemanden ab.»

Fatimas Mutter hatte grosse Angst um ihr kleines Mädchen. «Vor gerade einmal sechs Wochen habe ich um mein Baby geweint. Alle in meiner Familie dachten, dass wir sie verlieren würden. Sie war so schwach und dünn.»

Der Mangel an gesunden Lebensmitteln und sauberem Wasser setzte sowohl Fatima als auch ihrer Mutter zu, und Hilfe war nicht in Sicht.

«Ich konnte es mir nicht leisten, ins Krankenhaus zu fahren, und wir hatten kein Geld, um Medikamente zu kaufen. Ich konnte sie nicht richtig stillen, weil ich selbst tagelang kaum etwas gegessen hatte. Als mein Nachbar mir von den Caravans erzählte, schöpfte ich Hoffnung. Sofort machte ich mich mit Fatima auf den Weg zu ihnen. Sie haben sich dort sehr gut um sie gekümmert und sind sogar in mein Dorf gekommen, um zu schauen, wie es ihr geht. Heute, sechs Wochen später, kann ich kaum glauben, dass mein Mädchen schon wieder laufen und stehen kann. Ich kann ihnen nicht genug dafür danken. Wenn sie nicht wären, hätte ich vielleicht mein Kind verloren.»

Sechs Wochen nach Beginn der Behandlung von Fatimas Mangelernährung durch die mobile Klinik von Medair freut sich ihre Mutter, dass das kleine Mädchen wieder laufen und stehen kann.

Die mobilen Kliniken von Medair behandeln mangelernährte Kinder unter fünf Jahren. Kinder mit medizinischen Komplikationen werden in Allgemeinkrankenhäuser überwiesen, wo sie fachärztlich betreut werden. In den ersten zwei Einsatz-Monaten in Lahj haben fast 2.500 Menschen die mobilen Caravans aufgesucht. Neben Gesundheits- und Ernährungsdiensten kümmert sich Medair in den Camps von Lahj auch um den Zugang zu Wasser, Hygieneprodukten und Sanitäreinrichtungen. Dazu gehören die Errichtung bzw. die Instandsetzung von Latrinen, Abfallgruben und sauberen Trinkwasserquellen.

Afaf Abdullah ist eine der Gesundheitsfachkräfte in den Caravans. Sie ist selbst eine Binnenvertriebene und engagiert sich nun in den Camps. «Die Camps sind Orte, an denen sich die Menschen sicher und wohl fühlen können, weil sie sich ernst genommen wissen. Wir sind wie sie. Auch wir haben während des Konflikts gelitten und wurden vertrieben. Ich gebe mein Bestes, damit sie sich gesehen fühlen und wissen, dass sie nicht allein sind. Ich hoffe, dass der Konflikt bald ein Ende hat und die Menschen in ihre Häuser zurückkehren können. Und dass sie uns in guter Erinnerung behalten.»

Dr. Marwa zeigt Behandlungsmöglichkeiten auf und verteilt im Apothekenraum des Caravans Medikamente an die Menschen.

Ein Arzt untersucht in einem von Medair organisierten Caravan im Gouvernement Lahj ein Kind auf Unterernährung. 

«Die Caravans spielen eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung von Gesundheits- und Ernährungsdiensten für die Menschen in den Camps. Sie bieten einen geschützten Raum für die medizinische Versorgung, besonders für Frauen und Kinder. Wir sehen, dass immer mehr Frauen zu den Caravans kommen», sagt Dr. Wafa, Gesundheits- und Ernährungsbeauftragte von Medair.

Auch nach sieben Jahren sorgt die anhaltende Krise im Jemen für eine steigende Zahl von Binnenvertriebenen. Gemeinden, die die neu ankommenden Familien aufnehmen, haben mitunter Mühe, den Bedürfnissen sowohl ihrer eigenen Bevölkerung als auch der Menschen in den Camps gerecht zu werden. Sie können Kindern wie Fatima helfen und Menschen im Jemen unterstützen, die kostenlosen Zugang zu einer guten Gesundheitsversorgung benötigen.


Die Arbeit von Medair im Jemen wird von der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, dem Jemenitischen Fonds für humanitäre Hilfe – Jemen OCHA, World Vision, dem Bureau for Humanitarian Assistance (BHA/USAID) sowie von privaten Spenden finanziert.

Dieser Artikel wurde von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar.

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