Geschichten

Die Nachwirkungen

«Die Explosion hat mich binnen Sekunden aus der Küche ins Wohnzimmer geschleudert. Die Wucht der Explosion hat die Gipswand und die Fenster hinter mir zerstört. Alles war in Stücken. Aber ich lebe noch. Ich bin psychisch angeschlagen und brauche noch Zeit, um die Tragödie zu verarbeiten, aber ich weiss, dass Gott und mein Glaube mich beschützt haben.» – Marionela, Überlebende der Explosion in Beirut.

Am 4. August 2020, um 18.07 Uhr Ortszeit, ereignete sich in Beirut, der Hauptstadt des Libanons, eine der grössten nicht-nuklearen Explosionen der Welt. Die Explosion zerstörte einen Grossteil des Beiruter Hafens und traf die Stadt mitten ins Herz. Über 200 Menschen kamen ums Leben, 7000 weitere wurden verletzt. Die Schockwellen haben den Menschen im Libanon Ihr Zuhause und ihre Hoffnung geraubt.

Zum Zeitpunkt der Tragödie hatte der Libanon bereits mit der Covid-19-Pandemie, politischen Unruhen und einer schweren Wirtschaftskrise zu kämpfen. Dies führte zu einem Währungsverfall, Massenentlassungen und drastischen Einschränkungen im Bankensektor.  Das Land befand sich in einem Schockzustand. Was als «Schweiz des Nahen Ostens» bezeichnet wurde, wirkte wie eine Szene aus einem apokalyptischen Film. Tagelang lag eine schwarze Rauchwolke über der Stadt, während Bewohner in den Trümmern nach Familienangehörigen, Haustieren und Habseligkeiten suchten. Menschenmassen versuchten verzweifelt, die Trümmer zu beseitigen. Was sie einst ihr Zuhause nannten, lag nun in Schutt und Asche.

Selbst Brot wird langsam Mangelware

Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks leben im Libanon über eine Million syrische Geflüchtete. Damit ist der Libanon weltweit das Land mit der höchsten Zahl von Geflüchteten pro Kopf. In den zehn Jahren seit Beginn der Syrien-Krise ging der Grossteil der humanitären Hilfe im Libanon in die Unterstützung von Geflüchteten und schutzbedürftiger libanesischen Familien. Seit der Explosion jedoch hat sich auch die allgemeine Lage im Libanon deutlich verschlechtert. Das Land, das so vielen Geflüchteten Schutz geboten hat, ist nun selbst in der Krise.

«Ich wollte eine bessere Zukunft für meine Kinder. Deshalb habe ich sie schon vor langer Zeit ins Ausland geschickt. Jetzt mache ich mir Sorgen, wie ich diese Zeit im Libanon überleben werde. Heutzutage können kleine Unternehmen kaum Gewinne erzielen. Der Wechselkurs macht es schwierig, unsere Geschäfte offen zu halten. Wir brauchen jede Art von Unterstützung. Allein schaffen wir schaffen das nicht.» – Ibrahim.

Seit der Explosion haben sich die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Krisen im Land verschärft. Im ganzen Land herrscht massive Treibstoffknappheit.  Stromausfälle von bis zu 20 Stunden pro Tag lähmen Spitäler und Unternehmen und versetzen das einst blühende Land ohne Vorwarnung in totale Dunkelheit. Menschen stehen stundenlang in der glühenden Hitze Schlange, nur um eine kleine Menge Benzin zu ergattern.  Beiruts berühmte Restaurants, Cafés und Bäckereien und inzwischen auch Einkaufszentren sind geschlossen, was die für das Land so wichtige Tourismusindustrie beeinträchtigt.  Sogar das berühmte libanesische Fladenbrot ist wegen des Treibstoff- und Strommangels Mangelware.  Kein Aspekt des Lebens im Libanon bleibt von der Krise unberührt.  Medikamente werden knapp und einige Apotheken mussten vorübergehend schliessen.  Nach Angaben von UNICEF könnten über 71 Prozent der Bevölkerung bald keinen Zugang zu sauberem Wasser mehr haben.

 

Was tun wir?

Es sind schwere Zeiten für den Libanon. Dies betrifft sowohl unsere Teams und ihre Familien als auch uns als Organisation. Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, wie wir auf diese zunehmenden Herausforderungen reagieren sollen, bauen jedoch auf unsere langjährige Erfahrung mit komplexen humanitären Notlagen in Regionen wie dem Südsudan, der DR Kongo und Syrien.  Notlagen sind nie ein Einzelproblem und der Weg zur Wiederherstellung oft lang und steinig.

Seit der Explosion in Beirut ist die Zahl der auf Unterstützung angewiesenen libanesischen Familien drastisch gestiegen, insbesondere mit Hinblick auf medizinische Versorgung und die Stillung der Grundbedürfnisse. Die Hilfsbereitschaft ist gross, wird jedoch durch die Bedürfnisse der eigenen Familien an ihre Grenzen gebracht. Wir unterstützen libanesische Familien genauso wie Geflüchtete aus Syrien.

Medair ist seit 2012 im Libanon tätig und unterstützt Geflüchtete und gefährdete libanesische Familien in Beirut, im Südlibanon und in dem Bekaa-Tal. Die Unterstützung umfasst medizinische und psychische Gesundheit, sowie und Notunterkünfte. Nach der Explosion in Beirut hat Medair Wohnungen repariert und von der Explosion betroffenen Familien psychosoziale Unterstützung angeboten.  Seit Juni 2021 wurden weitere Bedürfnisselibanesischer Gemeinschaften in das Programm aufgenommen, unter anderem durch den Betrieb einer Covid-19-Impfklinik in Saida im Südlibanon.

Über Ihre Unterstützung beim weiteren Wiederaufbau von Beirut würden wir uns freuen. Klicken Sie hier für eine Spende.

 


 

Die Projekte von Medair im Libanon werden durch die Unterstützung des Hochkommissariats der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, der Glückskette und privaten Spenden ermöglicht. Seit Juni 2021 betreibt Medair mit Unterstützung der Glückskette zudem eine Covid-19-Impfklinik in Saida im Südlibanon. Gesundheitseinrichtungen im Bekaa-Tal werden von Global Affairs Canada in Partnerschaft mit Tearfund Canada unterstützt.

 

 

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