Es braucht ein ganzes Dorf
6'
Die Sonne war gerade aufgegangen. Keynan Aliow machte sich auf den Weg zur Arbeit.
Die Sonne war gerade aufgegangen. Keynan Aliow machte sich auf den Weg zur Arbeit. Plötzlich hörte er, wie ein kleines Kind verzweifelt schrie. Während er weiter ging, wurde das Geräusch immer lauter. Als Keynan sich umsah, traute er seinen Augen kaum: Am Strassenrand lag allein und verlassen ein winziges Neugeborenes.
„Ist da jemand?“, rief er. Doch zu seiner grossen Verwunderung kam keine Antwort. Also trug er das weinende Kind zum nächstgelegenen Haus. „Habt ihr gesehen, wer dieses Kind am Strassenrand abgelegt hat?“, fragte Keynan die Bewohner. Fassungslos schüttelten sie ihre Köpfe. Weitere Nachbarn wurden durch die Aufregung aufmerksam und stellten sich dazu. Doch niemand wusste, wo das Baby hergekommen war.
Keynan blieb keine Wahl: Er nahm das Kleine mit. Seine Nachbarin, eine Mutter namens Farxiyo, fragte er, ob sie sich um das Kind kümmern könne. Liebevoll schloss sie den kleinen Jungen in ihre Arme. Sie nannten ihn Abdikadir Keynan Aliow.
Nach vier Monaten bekam Farxiyo eine Arbeit in der Stadt und überliess das Baby wieder Keynan. Erneut sah er sich nach einer Ersatzmutter um, die sich um Abdikadir kümmern könnte. Anisa willigte ein, Abdikadir bei sich aufzunehmen. Sie nahm ihn mit in den Busch (Badia) und gab ihm Kamelmilch. Die würde ihm helfen, zu wachsen, sagte sie sich. Doch das Gegenteil geschah: Abdikadir wurde krank und verlor stark an Gewicht.
Während einem Routinebesuch in den Haushalten sah Malyun, eine freiwillige Helferin des Medair-Gesundheitsteams, Abdikadir zum ersten Mal. Sein Zustand machte ihr Sorgen. Sie untersuchte ihn auf Unterernährung und überwies sie ihn an eine von Medair unterstützte Klinik, die von unserem lokalen Partner Dawa betrieben wird.
Noch am selben Tag brachte Anisa den kleinen Abdikadir ins Gesundheitszentrum. Krankenschwester Firdowsa kann sich noch gut daran erinnern.
Abdikadir wurde umgehend mit Plumpy’nut gefüttert, einer nahrhaften Therapienahrung für unterernährte Kinder. Anisa wurde über eine gute Ernährung für Kleinkinder informiert. Das Baby wurde entlassen und – in Kombination mit regelmässigen Nachsorgeuntersuchungen in der Klinik – zu Hause weiter gepflegt. Anisa musste zurück in die Badia. Doch sie war sich sicher: Wenn Abdikadir sich erholen sollte, musste sie in der Nähe der Klinik bleiben. Deshalb gab Keynan Abidkadir in die Obhut einer weiteren Betreuerin. Sie hiess Mama Abdiya und arbeitete im Gesundheitszentrum als Reinigungskraft.
Dank Abdiyas liebevoller Betreuung und der von Medair bereitgestellten Therapienahrung verdoppelte sich Abdikadirs Gewicht nahezu.
Dr. Marian Wetshay-van der Snoek ist Leiterin des Programms in Somalia. Sie sagt: „Sehr schön finde ich, dass Somalier nach mehr als 20 Jahren der Krise trotzdem bereit sind, sich um ein hinterlassenes Kind zu kümmern. Dafür nehmen sie enorme persönliche Einschränkungen in Kauf.“
Machen Sie es möglich, dass Kinder sich in Somalia von ernsthafter Unterernährung erholen können – wie Abdikadir. Spenden Sie jetzt.
In Somalia leitet Medair ein umfassendes Programm zur Behandlung von Unterernährung und rettet damit Kleinkinder und gefährdete Mütter. Freiwillig Helfende besuchen Familien regelmässig, um sie auf Unterernährung zu untersuchen sowie gute Gesundheits- und Ernährungsgewohnheiten zu fördern.
CHECK OUR LATEST STORIES
GeschichtenLibanonFrauen & KinderGesundheit & Ernährung
Hebammendienste für geflüchtete Mütter im Libanon
Geflüchtete Menschen stehen vor vielfältigen Herausforderungen. Sie wurden aus ihrer Heimat vertrieben, haben auf ihrer Flucht oft traumatische Erlebnisse durchgemacht und leben nun in ihrem Aufnahmeland mit grosser Unsicherheit. Sie blicken einer ungewissen...
GeschichtenSyrienGesundheit & Ernährung
Neues Leben für eine Klinik in Syrien
«Die Klinik ist fertig!» Diese Nachricht war Musik in den Ohren von Dr. Eyad, dem Leiter der Klinik in Tal Salhab. Medair hatte soeben die Reparaturarbeiten abgeschlossen. Grossartige Nachrichten, denn die Klinik ist das einzige primäre Gesundheitszentrum in Tal...
GeschichtenSudanWasser, sanitäre Anlagen und Hygiëne (WASH)
Sudan-Krise: Wie Medair weiterhin hilft, um das Leid zu lindern
Sudan-Krise: Wie Medair weiterhin hilft, um das Leid zu lindern Zwölf Monate nach Beginn des bewaffneten Konflikts im Sudan hat sich dieser zur grössten Vertreibungskrise der Welt entwickelt. Bis heute wurden 8,4 Millionen Menschen gezwungen, aus ihren Häusern zu...
GeschichtenUkraineGesundheit & ErnährungPsychische Gesundheit
Der Bedarf an psychosozialer Unterstützung in der Ukraine
«Die Organisation dieser Schulungen hat mir sehr gut gefallen. Ich habe bereits eine Menge Interessantes gelernt. Vieles kannte ich zwar schon, aber ich hatte noch nie gründlich darüber nachgedacht. Ich habe neue Dinge gelernt und weiss jetzt, wie ich sie in meiner...
GeschichtenMadagaskarWasser, sanitäre Anlagen und Hygiëne (WASH)
Innovative Lösungen für den dürregeplagten Süden Madagaskars
Im Süden Madagaskars bleibt der Regen immer länger aus. Die Dürre hält schon Jahre an und es herrscht grosse Hungersnot. Seit über zwei Jahrzehnten leistet Medair humanitäre Hilfe in Madagaskar. Zurzeit unterhalten wir in den südlichen Bezirken Ambovombe und...
GeschichtenUkraineUnterkunft und Infrastruktur
Widrigkeiten überstehen
Wir sind zu Besuch in einer Gemeinde in der Region Kiew, bei zwei Frauen, die den Krieg überlebt haben. Beide Frauen hatten durch den Beschuss grosse Schäden an ihren Häusern erlitten. Hier möchten wir Nataliyas und Tetyanas Geschichten von Widerstandskraft und...
GeschichtenJordanienGesundheit & Ernährung
Für eine bessere Gesundheit
Anlässlich des bevorstehenden Weltgesundheitstages, möchten wir mit dieser Geschichte veranschaulichen, wie Medair zu einer gesünderen Welt beiträgt – unter anderem in Flüchtlingsgemeinschaften in Jordanien. «Wir haben alles verloren, unser Haus und unseren Hof....
GeschichtenMadagaskarFrauen & KinderWasser, sanitäre Anlagen und Hygiëne (WASH)
Wasser holen – eine Last für Frauen
«Zusätzlich zu meinen Pflichten als alleinerziehende Mutter muss ich jeden Tag an einem Ort etwa drei Stunden entfernt von hier Wasser holen», erzählt Farasoa. Die 38-jährige ist Mutter von sieben Kindern und von ihrem Mann geschieden. Mit ihren Kindern lebt sie in...