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Hoffnung inmitten der Krise: Gesundheitsdienste im Libanon stärken

Medair hilft in Baalbek-Hermel, die Kapazitäten der medizinischen Grundversorgungszentren zu erhöhen und die Zahl der monatlichen Konsultationen zu steigern.

«In meinem Alter müssen Menschen wie ich oft zum Arzt gehen. Ich kann mir die Gesundheitsdienste nirgendwo sonst leisten, ausser hier», erzählt Fatouma.

Zwölf Jahre nach Ausbruch des Syrien-Konflikts, dessen Folgen sich in der ganzen Region bemerkbar gemacht haben, leidet der Libanon weiterhin unter einer sich verschlimmernden humanitären Krise. Mit 1,5 Millionen syrischen Geflüchteten zählt der Libanon zu den Ländern mit der höchsten Flüchtlingsbevölkerung pro Kopf. Die damit einhergehenden Herausforderungen sind in den vergangenen Jahren durch unvorhergesehene Wirtschafts-, Finanz-, Sozial- und Gesundheitskrisen zusätzlich verschärft worden: die COVID-19 Pandemie und eine Explosion im Hafen von Beirut im Jahr 2020, gefolgt von Auswirkungen des Ukraine-Konflikts seit 2022 und einem Cholera-Ausbruch.

Ein Bereich, der von der vielschichtigen Krise besonders beeinflusst worden ist, ist das Gesundheitssystem. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass grundlegende Gesundheitsdienste für viele Menschen kaum mehr zugänglich oder bezahlbar sind. Steigende Kosten für die Einfuhr von Medikamenten und medizinischem Verbrauchsmaterial in Verbindung mit einem Mangel an wichtigen Medikamenten und der Wartung von Gesundheitseinrichtungen haben die Kosten für Behandlungen und Konsultationen stark in die Höhe getrieben. Auch das Angebot an qualifizierten Fachkräften im Gesundheitswesen ist zurückgegangen, da die meisten von ihnen im Ausland bessere Berufsaussichten suchen. Die Gesundheitsdienste, die bereits vor der Wirtschaftskrise mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatten und durch die Krise noch verschärft wurden, stehen nun kurz vor dem völligen Zusammenbruch. Wie im Krisenreaktionsplan für den Libanon (Lebanon Crisis Response Plan, LCRP, 2023) hervorgehoben wird, sind die Haupthindernisse für den Zugang zur Gesundheitsversorgung die Kosten für Behandlungen, Konsultationen und den Transport zum und vom Zentrum. Angesichts der anhaltenden Situation mit eingeschränktem Zugang zu Gesundheitsdiensten und zunehmender Armut steigt das Risiko von Krankheitsausbrüchen wie Cholera und Masern, und das System ist zunehmend schlechter auf die neuen Herausforderungen vorbereitet.

A humanitarian aid worker looks through a log book.

Rana, Gesundheitsbeauftragte bei Medair, prüft die Liste der Patienten, die am 10. Januar 2023 die Krankenstation in Serraine besuchen. ©Medair/Abdul Dennaoui

Seit 2014 setzt sich Medair im Libanon dafür ein, dass notleidende Bevölkerungsgruppen in den medizinisch stark unterversorgten Regionen Bekaa und Baalbek-Hermel einen besseren Zugang zu hochwertiger medizinischer Grundversorgung erhalten. Wir statten Gesundheitszentren mit Medikamenten und Geräten aus, unterstützen sie beim Kapazitätsaufbau und leisten Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung. Im Jahr 2022 nahm Medair den Betrieb des primären Gesundheitszentrums Serraine in Baalbek auf, einem Gebiet, in dem aufgrund der anhaltenden wirtschaftlichen Herausforderungen ein grosser Bedarf an medizinischer Versorgung besteht. Das Zentrum steht allen Gemeinschaftsmitgliedern offen – syrischen Geflüchteten, vulnerablen Libanesen und Libanesinnen sowie Menschen anderer Nationalitäten.

Die 85-jährige Libanesin Fatouma wird derzeit im Zentrum ärztlich behandelt und sagt: «Ich bin beruhigt, weil ich weiss, dass die Klinik hier in Serraine existiert, um Menschen wie mich zu unterstützen. In meinem Alter müssen Menschen wie ich oft zum Arzt gehen. Ich kann mir die Gesundheitsdienste nirgendwo sonst leisten, ausser hier. Sie wissen, wie die Lage im Libanon ist. Die Gesundheitsversorgung ist wichtig, aber leider ist sie heute ein Luxus, den sich die meisten Gemeinden nicht mehr leisten können. Menschen wie ich sind auf diese Art von Gesundheitszentren angewiesen.»

A little child is examined by a registered nurse.

Samira, 3 Jahre alt, betrachtet das Sauerstoffmessgerät, das ihr die Krankenschwester Zainad im primären Gesundheitszentrum in Serraine am Finger angebracht hat. ©Medair/Abdul Dennaoui

Zainab ist eine der Krankenschwestern im Zentrum für medizinische Grundversorgung in Serraine. Sie erzählt, dass es den Menschen anfangs an Motivation fehlte, das Zentrum aufzusuchen. «Bevor Medair hier mit der Unterstützung begann, hatte das Zentrum grosse Mühe, die notwendigen Medikamente, Geräte und qualifizierten Mitarbeitenden bereitzustellen, um den Gesundheitsbedarf der betroffenen Bevölkerung zu decken. Aufgrund des fehlenden Personals gab es nur wenige Termine, den Ärzten fiel es schwer, die täglichen Aufgaben zu bewältigen, und aufgrund der kargen Ausstattung waren die Dienstleistungen eingeschränkt. Aufgrund mangelnder Aufklärungsarbeit wusste die Bevölkerung kaum etwas über die ihr zur Verfügung stehenden Gesundheitsdienste. Wir haben wenige Menschen gesehen. Seit Beginn der Zusammenarbeit von Medair mit dem Zentrum hat sich die Situation dramatisch verändert. Die Zahl der Gemeinschaftsmitglieder, die hier medizinische Leistungen in Anspruch nehmen, ist deutlich gestiegen. Die Präsenz, die Unterstützung und die kommunale Aufklärungsarbeit von Medair in den Gemeinschaften hat bei den Menschen Vertrauen geweckt. Derzeit kommen täglich etwa 80 bis 90 Menschen in das Zentrum. Zuvor waren es pro Tag etwa 20 Personen. Die Menschen haben nun Zugang zu einer breiten Palette von Behandlungen zu minimalen Gebühren.»

Das Team von Medair bemühte sich in Zusammenarbeit mit dem Zentrum unermüdlich um die Einstellung von qualifiziertem Gesundheitspersonal, bestehend aus Ärzten, Krankenschwestern und Hilfspersonal, stärkte das Team durch Schulungen und sorgte dafür, dass es die steigende Nachfrage nach medizinischen Leistungen befriedigen konnte. Patientinnen und Patienten, die die von Medair unterstützten Kliniken aufsuchen, erhalten subventionierte Konsultationen mit erfahrenen Ärzten sowie kostenlose Routineimpfungen und Medikamente, psychosoziale Unterstützung und Aufklärungsgespräche über Themen der öffentlichen Gesundheit.

Der Kardiologe Dr. Zakaria betont, wie wichtig diese grundlegenden Gesundheitseinrichtungen für die Menschen im Libanon sind: «In der Vergangenheit hat der Grossteil der Bevölkerung private Praxen aufgesucht oder sich in Krankenhäusern behandeln lassen. Aufgrund der steigenden Inflation, des Anstiegs der Treibstoffkosten und der Währungsschwankungen haben die Menschen heute kaum mehr Zugang zu privater Gesundheitsfürsorge oder zu Krankenhäusern, weshalb die Primärkliniken eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsfürsorge spielen. Immer mehr Menschen erkennen, dass sie in den Primärkliniken eine hochwertige Gesundheitsversorgung zu geringeren Kosten erhalten können. Hier in der Serraaine Primary Health Clinic bieten wir mit der Unterstützung von Medair alle Arten von Dienstleistungen an, die den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht werden. Der Grossteil unserer Leistungen wird für ältere Menschen, Frauen und Kinder erbracht. Die Bevölkerung hat Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung zu minimalen Gebühren. Wir sind für die Bevölkerung da, und wir sind hier, um zu helfen.»

Im August 2023 waren die monatlichen Arztbesuche in der Serraaine-Klinik auf beeindruckende 2’000 pro Monat angestiegen, ein enormer Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr. Dieser sprunghafte Anstieg bedeutet eine erhebliche Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands der Gemeinschaften, da nun mehr Menschen entsprechend ihren Bedürfnissen Zugang zu medizinischer Versorgung und Behandlung haben.

A pharmacist hands a patient, prescribed medication at a primary health centre.

Aref (links), 36 Jahre alt, arbeitet als Apotheker in der integrierten Apotheke des primären Gesundheitszentrums in Serraine. Hier übergibt er Khaled nach dessen ärztlichen Untersuchung die verschriebenen Medikamente. ©Medair/Abdul Dennaoui

 

 

 


Die Gesundheitsmassnahmen von Medair im Libanon werden durch die Finanzierung des Deutschen Auswärtigen Amtes und grosszügigen privaten Spendern und Spenderinnen ermöglicht.

Dieser Artikel wurde von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar.

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