Binnenflüchtlinge in Somalia nach Überschwemmungen erneut in Not

«So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nie erlebt», berichtet Marian.* Die 65-Jährige lebt heute in der Hauptstadt Somalias. Als sie 2016 mit ihrer Familie vor dem Krieg in der Nachbarprovinz floh, fand sie hier in einem Vertriebenenlager Zuflucht. Viel Platz hat sie nicht: Mit ihrer Tochter und sechs Enkelkindern im Alter von drei bis zehn Jahren teilt sie sich zwei kleine Zimmer.

«Es geschah kurz vor drei Uhr morgens; zu der Zeit, in der üblicherweise der Muezzin zum Gebet aufruft. Im Camp stehen die Hütten ganz dicht beieinander. Ich hörte die aufgeregten Stimmen meiner Nachbarn – und dann brachen die Fluten plötzlich mit lautem Getöse über uns herein. Das Wasser verschonte niemanden. Mütter riefen nach ihren Kindern und schrien verzweifelt um Hilfe.»

Marian nahm all ihren Mut zusammen. Die Fluten hatten auch ihr Haus erfasst; Teller, Kleider und Kanister schwammen bereits im Wasser. Schnell weckte sie ihre Tochter und die Enkel. Zum Glück waren die Männer aus der Nachbarschaft bereits dabei, Kinder und Frauen aus ihren Häusern zu befreien und sie auf höhergelegene Orte zu bringen. «2016 war es der Krieg gewesen, der uns zwang, unser Zuhause zu verlassen. Diesmal trieb uns das Wasser in die Flucht. Wohin sollten wir gehen? Wir hatten keinen Zufluchtsort mehr.»

 

Marian ist eine von rund 500 000 Betroffenen der Überschwemmungen in Somalia. Wie bei Marian handelt es sich auch bei vielen von ihnen um bereits Vertriebene. Anfang September setzten in Teilen Somalias und im äthiopischen Hochland starke saisonale Regenfälle («Deyr») ein. In drei Bundesstaaten verwüsteten die Hochwasser Ackerland, Infrastruktur und Strassen und führten zu mindestens 17 Todesfällen.[1]

Während unsere regulären Hilfsprogramme gewohnt weiterlaufen, unterstützt Medair zusätzlich die Bemühungen ihrer lokalen Partner sowie der Somalischen Behörden, welche Hilfe in die von den Überschwemmungen betroffenen Regionen bringen. Wir gehen dabei bewusst an die Orte, in denen die besonders gefährdeten „doppelt“ vertriebenen Menschen leben.

So versorgt Medair in zwei vom Hochwasser betroffenen Bezirken Familien mit Gesundheits- und Ernährungsleistungen und schafft Zugang zu Trinkwasser und sanitären Einrichtungen (WASH). 10 476 Menschen konnten bisher mit WASH-Leistungen unterstützt werden. Wir konnten Wasseraufbereitungstabletten und, in Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisationen, Hygienesets an Betroffene verteilen und sie über wirkungsvolle Hygienemassnahmen und Choleraprävention informieren. 1100 Familien erhielten zudem Plastikplanen zur Abdichtung ihrer Schutzunterkünfte.

Ein mobiles Gesundheitsteam untersuchte und behandelte ausserdem Kinder mit schwerer akuter Unterernährung. In Zusammenarbeit mit freiwilligen Gesundheitshelfern klärte Medair Gemeinschaften darüber auf, wie sie Wasserkrankheiten wie Cholera vorbeugen können und wann sie medizinische Hilfe in Anspruch nehmen sollten. Zur Bekämpfung erster Krankheitssymptome und vor einer möglichen Überweisung ins Spital verabreichen die freiwilligen Helfer bei Bedarf Zinktabletten und orale Rehydrierungssalze.

«Die Fluten haben unser ganzes Hab und Gut mitgerissen; Haushaltsgüter, Kleidung – alles ist weg», erinnert sich Marian. «Aber Gott sei Dank sind wir noch am Leben, Alhamdulilahi**!» Auch ihre Familie wurde von Medair mit Plastikplanen für ihre Unterkunft, Seife und anderen Hygieneartikeln, Wasserkanistern und Aquatabs zur Aufbereitung und Lagerung von sauberem Trinkwasser versorgt.


[1] FSNAU Food security and Nutrition Quarterly briefs, 2019 Deyr season early warning 27th Dec 2019

* Name aus Datenschutzgründen geändert.

** Arabisch für «Gelobt sei Gott!»

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