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Libanon - Der stille Kampf ums Überleben.

December 11, 2025
von Medair
Libanon
Von Zwangsräumung bedrohte Haushalte im Bekaa-Tal erhalten finanzielle Unterstützung, die es ihnen ermöglicht, in ihrer Wohnung zu bleiben und die finanzielle Belastung durch Miete für einen Zeitraum von sechs Monaten zu verringern.

"In den letzten Jahren ist es noch schwieriger geworden. Wir müssen mehr kämpfen und können uns immer weniger leisten", sagt Rana, 56, Libanesin.

Von aussen mag das Leben im Libanon wie ein endloser Sommer erscheinen - Strände, belebte Cafés und ein pulsierendes Nachtleben - aber hinter den postkartenreifen Szenen verbirgt sich eine bittere Wirklichkeit. Sie wird erst beim Blick hinter die verschlossenen Türen sichtbar. Dann erfährt man Geschichten von Menschen, die ums Überleben kämpfen. Die Betroffenen leiden im Stillen, unbemerkt vom Rest der Welt.

Im Libanon leben Millionen von Geflüchteten und Einheimischen unter schwierigen Bedingungen, unter denen sie kaum ihre Grundbedürfnisse stillen können. Im Jahr 2024 hatte der heftige Konflikt im Libanon ohnehin schon verwundbare Haushalte noch weiter an den Rand des Abgrunds getrieben. Die wenigen Ressourcen, die ihnen noch blieben, waren aufgebraucht.

In Regionen wie Baalbek und Bekaa, die zu den am stärksten von Krieg und Vertreibung betroffenen Gebieten gehören, können Familien kaum ihre Grundbedürfnisse befriedigen. Die anhaltende sozioökonomische Krise, die zerstörte Infrastruktur und die anhaltende Instabilität haben den Zugang zu Nahrungsmitteln, sauberem Wasser, medizinischer Versorgung und Unterkünften erschwert. Viele Menschen, die bereits vertrieben wurden oder unter den Folgen des Konflikts leiden, sind nun zum Überleben auf humanitäre Hilfe angewiesen, um zu überleben. Nach Jahren der Ungewissheit und Not sind die Menschen erschöpft. Humanitäre Hilfe bleibt eine wichtige Quelle der Hoffnung für die am meisten Betroffenen.

Bei einem kürzlichen Besuch des Teams vor Ort traf ich Rana, 56. Sie ist Libanesin und wohnt in Serraaine, einem Dorf im Bezirk Baalbek-Hermel. Rana war freundlich und sprach mit leiser Stimme. Zusammen mit ihren beiden Schwestern teilt sie sich ein bescheidenes Haus mit zwei Schlafzimmern. Ihre ältere Schwester Zeinab ist bettlägerig braucht ständige Pflege, Aufmerksamkeit und Medikamente. Rana selbst leidet an einer psychischen Erkrankung, die ihre Fähigkeit einschränkt, zu arbeiten und ein Einkommen zu erzielen. Auf den Schultern der jüngsten Schwester lastet die Bürde, die Familie mit einem geringen Einkommen zu versorgen, das kaum zur Deckung der Grundbedürfnisse ausreicht.

Der Kontakt zu Ramas Familie kam in Zusammenarbeit mit örtlichen Behörden und Partnerorganisationen zustande, die notleidende Familien, denen die Zwangsräumung droht oder die in instabilen Verhältnissen leben, an Medair verweisen. Nach Kontaktaufnahme werden die jeweiligen Haushalte sorgfältig in Bezug auf Lebenssituation, Einkommen und gesundheitliche Bedürfnisse geprüft. So soll sichergestellt werden, dass die Hilfe diejenigen erreicht, die sie am dringendsten benötigen.

©Medair/Abdul Dennaoui

Rana und ihre Geschwister leiden im Stillen, fernab von den Augen der Weltöffentlichkeit. Ihre wirtschaftliche Lage ist prekär. Sie haben keine Möglichkeit, eine angemessene Arbeit zu finden und häufen immer mehr Schulden für lebenswichtige Dinge wie Lebensmittel und Medikamente an. Nun sind sie an einem Punkt angelangt, an dem sie sich weder die Miete noch die medizinische Versorgung für Zeinab mehr leisten können. Das vom Libanon Humanitarian Fund (LHF) unterstützte, Geld-für-Miete genannte Projekt von Medair, zielt darauf ab, den Verwundbarsten aus der Gemeinschaft zu helfen. Rana gab uns einen Einblick in ihr Leben und erklärte, wie wichtig diese Unterstützung für sie und ihre Familie ist.

"Ich bin eine ältere Frau von 56 Jahren. Aufgrund einer psychischen Erkrankung konnte ich mein Leben lang nicht arbeiten. Es tut weh, dass ich finanziell nicht zu unserem Lebensunterhalt beitragen und unsere Lebensbedingungen verbessern kann. In den letzten Jahren sind die Dinge aufgrund der vielen verschiedenen Krisen im Libanon immer schwieriger geworden. Dazu gehören die wirtschaftliche Krise, Covid-19 und der Krieg im letzten Jahr. Wir haben immer mehr zu kämpfen und können uns immer weniger leisten. Unsere Mittel schrumpfen und damit die Möglichkeiten uns richtig zu ernähren und unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen. Ich nehme immer mehr ab, nicht freiwillig, sondern wie wenn mein Körper aufgegeben hätte. Mit leerem Magen ins Bett zu gehen, sucht man sich nicht aus. Es ist unsere Realität. Proteine gibt es bei uns kaum auf dem Teller. Wir essen vor allem Obst und Gemüse und etwas Reis. Mehr können wir uns nicht leisten."

"Ich mache mir ständig Sorgen um meine Schwester Zainab. Ohne richtige Ernährung verschlechtert sich ihr Zustand schnell. Sie ist bettlägerig, kann nicht aufstehen kaum sprechen. Nachts werde ich oft wach, wenn sie vor Schmerzen weint, weil wir uns ihre Medikamente nicht leisten können. Wir haben ihr Bett in die Nähe des Balkons verlegt, damit sie nach draussen schauen kann, weil sie nicht mehr laufen kann. Meine Schwester und ich tun alles, was wir können, um für sie zu sorgen, aber die Zeiten sind härter denn je. Alle um uns herum haben zu kämpfen, und auch die kleine Unterstützung, die es früher gab, ist inzwischen knapp. Vor ein paar Monaten standen wir wieder vor der Zwangsräumung und wussten nicht, wohin wir gehen sollten. Wir kämpfen jeden Tag ums Überleben und klammern uns an jeden Strohhalm."

©Medair/Abdul Dennaoui

Mit Unterstützung des Humanitären Fonds Libanon hilft Medair 90 der verwundbarsten Haushalte in Baalbek/Hermel. Ziel ist, Zwangsräumungen zu vermeiden und mit Hilfe des Geld-für-Miete-Programms wieder etwas Stabilität zu finden. Diese humanitäre Unterstützung ist ein Rettungsanker für Familien, der ihnen ermöglicht, inmitten der anhaltenden Krisen in ihren Wohnungen zu bleiben. Bargeldhilfe gilt in der humanitären Hilfe weithin als eines der wirksamsten Mittel, um auf die dringende Bedürfnisse zu reagieren. Sie gibt Familien Autonomie und die Möglichkeit, die Entscheidungen zu treffen, die ihren Lebensumständen entsprechen. Darüber hinaus trägt sie dazu bei, die Würde der Menschen zu wahren und schenkt Hoffnung, indem sie Betroffenen eine gewisse Stabilität in Zeiten der Ungewissheit bietet.

Die Inhalte wurden durch Mitarbeitende von Medair vor Ort und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die darin vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Organisationen übertragbar.

December 11, 2025
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