Anteilnahme rettet Leben
«Menschen kommen an ihre Grenzen und ihre Situation verändert sich stündlich. Es ist wichtig, dass wir rasch für sie da sind.»
– James McDowell, Leiter des globalen Nothilfeteams
Jeden Tag fliehen ukrainische Familien aus ihren Häusern. Auf der Suche nach Sicherheit machen sich Viele auf den Weg in angrenzende Länder. Nach tagelanger Reise erreichen sie müde und erschöpft die Grenzen – häufig mit wenig mehr als den Kleidern, die sie am Leib tragen.
Lokale Organisationen und Freiwillige tun alles in ihrer Macht Stehende, um den Geflüchteten aus der Ukraine zu helfen. Wir leisten vor Ort Nothilfe für die Vertriebenen und aufnehmende Gastemeinschaften.
Medair hat über 30 Jahre Erfahrung in der Reaktion auf konfliktbezogene Krisen wie diese. Unser globales Nothilfeteam handelt. Sind Sie dabei?

Dinge, die Sie wissen sollten
Wir sprechen von einer humanitären Katastrophe in der Ukraine. Wie ist die aktuelle Lage?
Bislang sind 3,3 Millionen Menschen aus der Ukraine in die Nachbarländer geflüchtet – 2 Millionen von ihnen nach Polen. Seit Beginn des Konflikts sind 6,5 Millionen Menschen innerhalb des Landes vertrieben worden. Die Menschen strömen weiterhin von Ost nach West durch die Ukraine und die lokalen Kapazitäten sind überfordert.
Viele der vertriebenen Menschen suchen Schutz in überfüllten Räumen mit begrenzten sanitären Einrichtungen und eingeschränktem Zugang zu Gesundheitsdiensten. Die meisten an der ukrainisch-polnischen Grenze ankommenden Geflüchteten sind Frauen, Kinder und ältere Menschen. Einige der vertriebenen Kinder sind alleine unterwegs. Menschenhandel und Ausbeutung gefährden die Geflüchteten. Quer durch die Ukraine ist die Versorgung mit sauberem Wasser, Treibstoff und Strom aufgrund der zerstörten Infrastruktur beeinträchtigt. Die Versorgungsketten sind beeinträchtigt, vieles ist aufgrund der anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzungen nicht lieferbar, und medizinische Vorräte werden knapp.
Was tut Medair vor Ort?
Wir haben ein Team nach Polen entsandt und einen Einsatz an der ukrainischen Grenze begonnen. In Przmesyl – beim Grenzübergang Medyka – unterstützen wir ein Aufnahmezentrum für Geflüchtete, in dem täglich bis zu 10 000 Menschen ankommen. Zudem haben wir Kontakte zu mehreren Städten in der Ukraine aufgebaut. Das Ziel ist, zu koordinieren und bestehende Initiativen zu stärken.
- In Polen unterstützen wir Freiwilligeninitiativen unter anderem mit Lebensmitteln für die Zubereitung von warmen Mahlzeiten und Brennstoff für Gasheizungen in Aufnahmezentren im Freien.
- Medair betreut in Zusammenarbeit mit einer lokalen NGO ein grosses Aufnahmezentrum in einem ehemaligen Supermarkt. Dort werden Schlafplätze angeboten, sowie praktische Hilfe in Form von SIM-Karten, Informationen zu Unterkünften und Transportmöglichkeiten. In sieben weiteren von Freiwilligen betriebenen Aufnahmezentren entlang der polnisch-ukrainischen Grenze unterstützen wir Betroffene mit Hilfsgütern.
- Menschenhandel und Ausbeutung gefährden die Geflüchteten. Medair schult Freiwillige darin, psychologische Erste Hilfe zu leisten und vermittelt Übersetzungsdienste.
- In Städte in der Westukraine kommen immer mehr Geflüchtete aus den Konfliktgebieten an. Vorräte an lebenswichtigen Gütern werden aufgrund eingeschränkter Versorgungsketten knapp.
- Medair hat in sechs Städten Einsatzstellen eingerichtet und derzeit 25 lokale Mitarbeitende rekrutiert.
- Die ukrainischen Teams ermitteln nicht nur den Bedarf an lebenswichtigen Hilfsgütern, sondern evaluieren auch zivile Infrastrukturen wie Krankenhäuser und Wassersysteme.
- Wo lokale Märkte noch funktionieren, setzen wir vorzugsweise auf Bargeldhilfe.
- Medair startet psychosoziale Unterstützungsmassnahmen in Vinnytsia (Ukraine). Mitarbeitende werden in psychologischer Erster Hilfe geschult und psychosoziale Projektverantwortliche rekrutiert.
Wie sieht die Nothilfe im Moment aus?
Unsere Zusammenarbeit mit lokalen Partnerorganisationen ist entscheidend, denn die lokalen Gemeinschaften leisten die eigentliche Arbeit. Unsere Rolle liegt darin, Hilfe zu stabilisieren, und standardisieren. Der enorme Einsatz von Freiwilligen in Polen und die sich ständig ändernde Situation in der Ukraine erfordern Zeit zur Koordination. Wir haben einen guten Ruf bei unseren lokalen Partnerorganisationen und Gemeindeverwaltungen. Diesen Ruf haben wir uns erarbeitet, indem wir mit den Partnerorganisationen zusammenarbeiten und ihnen unsere Expertise zur Verfügung stellen.
Was braucht es sonst noch?
Lebensrettende Hilfsgüter werden dringend benötigt, doch es fehlt an einer funktionierenden Logistik. Der Aufbau von Versorgungsketten ist daher ebenso wichtig wie die Mittelbeschaffung. In der Not müssen Einsatzkräfte genau wissen, was wie zu tun ist. Professionelle humanitäre Organisationen haben Standardprozesse und geschulte Mitarbeitende, die kurzfristig entsandt werden können. Mit Geldmitteln zu unterstützen, ist wirksamer als Sachspenden. Professionelle Logistik rettet Leben.
Ist die Hilfe aus der Ferne möglich?
Am wirksamsten ist jetzt die finanzielle Unterstützung von Nothilfeorganisationen, denn sie haben die technische und logistische Erfahrung und wissen, worauf es ankommt. Diese Organisationen analysieren den Bedarf und reagieren entsprechend. Im Moment ist vor allem gesundheitliche Unterstützung erforderlich. Medair hat 30 Jahre Erfahrung in der humanitären Krisenhilfe für von Konflikten und Naturkatastrophen Betroffene. Wir kennen die Bedürfnisse der Menschen, die alles verloren haben.
Was brauche die Menschen als erstes?
Sie brauchen praktische Unterstützung, z. B. in Form von Lebensmitteln, Unterkünften und medizinischen Diensten. Dabei darf das Trauma, das sie erlebt haben, nicht vergessen werden. Viele mussten aus ihren Häusern fliehen, wurden von Angehörigen getrennt und haben lange und gefährliche Wege hinter sich. Das hat enorme Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit. Das grösste Bedürfnis der Neuankommenden aus der Ukraine ist die Bewältigung von Stress. In Polen wird Medair Freiwillige aus der Gemeinschaft, die in Aufnahmezentren für Geflüchtete arbeiten, in psychologischer Erster Hilfe schulen. In der Ukraine wird Medair Online-Schulungen für psychosoziale Fachkräfte zum Aufbau lokaler Kapazitäten für die traumasensible Unterstützung anbieten.
Wie ist die Stimmung? Haben die Betroffenen eine Perspektive für die Zukunft?
Die Zukunftsperspektiven sind schwer zu beurteilen. Niemand kann vorhersagen, wie lange der Konflikt noch andauern wird. Viele hoffen auf eine baldige Rückkehr in ihre Heimat. Wir sorgen vor Ort dafür, dass die Menschen das Wichtigste erhalten und dass diese Unterstützung nachhaltig ist.
Weitere Anmerkungen
Medair arbeitet in mehreren am stärksten von Krisen betroffenen Regionen auf der ganzen Welt – die Not in anderen Ländern darf nicht vergessen werden. Die derzeitige Krise trifft bereits vulnerable Menschen. Der Internationale Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) der Vereinten Nationen berichtet von bereits spürbaren erhöhten Lebensmittelpreisen und einer Verknappung von Feldfrüchten im Nahen Osten und in Nordafrika (darunter das Horn von Afrika). Ein Viertel der Weizenexporte kommt aus Russland und der Ukraine – 40 % des Weizens und Mais aus der Ukraine werden in den Nahen Osten und nach Afrika exportiert.
Im Bericht wird der Libanon besonders hervorgehoben: «22 Prozent der Familien im Libanon leiden unter Nahrungsmittelknappheit. Preiserhöhungen werden die ohnehin schon verzweifelte Lage noch verschärfen. Das Land importiert bis zu 80 Prozent seines Weizens aus Russland und der Ukraine. Aufgrund der Explosion und Zerstörung der wichtigsten Getreidesilos im Hafen von Beirut im Jahr 2020 kann der Libanon jeweils nur die Feldfrüchte eines Monats lagern.»