Geschichten

Syrienkrise: Auch psychische Wunden müssen heilen

Medair-Mitarbeiterinnen machen im Rahmen einer psychosozialen Therapiesitzung eine Übung mit einer syrischen Flüchtlingsfrau.
Auf psychischen Problemen lastet oft ein schweres Stigma, welches Betroffene daran hindert, sich Hilfe zu holen. Eine Syrerin, die an einer unserer psychosozialen Therapiesitzungen teilnahm, brachte es auf den Punkt: «Niemand soll erfahren, dass ich hierherkomme. Was würden die Leute von mir denken? Etwa, dass ich ein Weichei bin und meine Zeit mit unwichtigen Dingen verschwende, anstatt Geld aufzutreiben, damit meine Kinder essen und in die Schule gehen können.»
Indem wir psychische und psychosoziale Angebote in die humanitäre Hilfe integrieren, können wir Einzelpersonen helfen, ihre Probleme zu bewältigen und stärken gleichzeitig die gesamte Gemeinschaft. Kinder und Jugendliche profitieren von Sportaktivitäten und kinderfreundlichen Räumen, Frauen erhalten in so genannten «Care Groups» die Möglichkeit, sich auf Gemeinschaftsebene zu vernetzen und auszutauschen. Manche Menschen benötigen gezielte Angebote, um mit ihren Erlebnissen umzugehen; mit ihnen führen wir psychosoziale Therapiesitzungen in der Gruppe durch. Eine syrische Frau, die im Libanon an einer solchen Gruppentherapie teilnimmt, sagte: «In den Sitzungen darf ich reden und Dinge loslassen, die ich erlebt habe. Auch geben sie mir das Gefühl, dass ich nicht alleine dastehe. Viele andere Frauen kämpfen mit denselben Schwierigkeiten.»
«In den Sitzungen darf ich reden und Dinge loslassen, die ich erlebt habe. Auch geben sie mir das Gefühl, dass ich nicht alleine dastehe. Viele andere Frauen kämpfen mit denselben Schwierigkeiten.»
Während einer psychosozialen Therapiesitzung im Libanon wurden die Teilnehmenden gebeten, einen Gegenstand anzufertigen, der einen Teil ihrer Geschichte erzählt. Die syrische Flüchtlingsfrau Mariam bastelte eine Puppe, die ein dreijähriges Mädchen namens Sadir symbolisierte. Mariam erklärte, dass Sadir aus einem Trümmerhaufen herausgezogen und danach ins Spital gebracht worden war. Ihre Eltern hatten nicht überlebt. Jetzt wächst das Mädchen bei Verwandten von Mariam auf.
Menschen, denen wir helfen, auf keinen Fall ausser Acht lassen. Wenn wir das täten, wären die Spätfolgen des unbehandelten seelischen Leids womöglich genauso verheerend wie die Krisen und Katastrophen, die es ausgelöst haben. Natürlich können und sollen wir Notleidende weiterhin mit sauberem Wasser, medizinischen Leistungen und sicheren Unterkünften versorgen. Genauso ist es unsere Pflicht, ihnen zu helfen, die seelischen Trümmer aus dem Weg zu räumen.

Wir dürfen die syrischen Flüchtlinge und die anderen Millionen von Menschen, die in die Flucht getrieben wurden, nicht hängen lassen. Vielen Syrerinnen und Syrern geht es ähnlich wie Rashid und seiner Familie. Zahlreiche Männer und Frauen sind jeden Tag hohem traumatischem Stress ausgesetzt, den sie an ihre Kinder weitergeben. Zwar sind viele Betroffene auch unfassbar stark und schaffen es oft, wieder auf die Beine zu kommen. Aber auch wenn der Lärm

der Schüsse nach und nach verhallt, bleiben emotionale Verletzungen zurück, die sie daran hindern, ein neues Leben aufzubauen. Die humanitäre Gemeinschaft muss sich geschlossen an ihre Seite stellen, damit die tiefen seelischen Wunden heilen können. Jetzt.

Dieser Artikel wurde in Teilen bereits auf Englisch veröffentlicht im Church of England newspaper.

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