Interview mit Jonathan, Mitarbeiter Logistik

Jonathan stammt eigentlich aus Frankreich. Nun arbeitet er am Hauptsitz von Medair in der Schweiz. Er ist für die Logistikprozesse in verschiedenen Medair-Projekten weltweit zuständig. Auch gehört er dem Nothilfeteam an, muss im Katastrophenfall innerhalb von 24 Stunden einsatz- und abreisebereit sein.

Jonathan stammt eigentlich aus Frankreich. Nun arbeitet er am Hauptsitz von Medair in der Schweiz. Er ist für die Logistikprozesse in verschiedenen Medair-Projekten weltweit zuständig. Auch gehört er dem Nothilfeteam an, muss im Katastrophenfall innerhalb von 24 Stunden einsatz- und abreisebereit sein.

Was motiviert sich jeden Tag zu deiner Arbeit?

Am wichtigsten ist mir der tiefere Sinn meiner Arbeit. Ich möchte morgens aufstehen und aktiv mithelfen, das Leid in dieser Welt zu lindern. Unsere Arbeit in den Einsatzgebieten wirkt sich so positiv aus. Das zu sehen, bereichert mich ungemein und treibt mich Tag für Tag an.

Was ist dein Aufgabengebiet bei Medair?

Vor zehn Jahren habe ich eine Ausbildung im humanitären Bereich abgeschlossen und eine Weile für andere Organisationen gearbeitet. Momentan bin ich am Schweizer Hauptsitz von Medair als Logistiker tätig. Ich betreue unsere Projekte im Nahen Osten und unterstütze meine Kollegen vor Ort in logistischer und technischer Hinsicht.

Jeder humanitäre Einsatz hängt von einer guten Logistik ab. Als Logistiker muss ich stets vorausschauen und die laufenden Prozesse den wechselnden Umstände anpassen können. Schliesslich wollen wir den bedürftigsten Menschen so schnell wie möglich helfen. Herausforderungen gibt es unzählige – bisher hat sich jede einzelne Erfahrung gelohnt.

Du warst Teil des Nothilfeteams von Medair nach Hurrikan Matthew in 2016 in Haiti. Wie lief das ab?  

Kurz nach Abzug des Wirbelsturms reiste ich mit dem Nothilfeteam in das Katastrophengebiet. Meine erste Aufgabe war, umgehend eine provisorische Basis für die Nothilfe-Mitarbeitenden einzurichten, damit sie alles Nötige hatten, um die dringendsten Bedürfnisse der Notleidenden zu decken. Als diese Basis stand, habe ich mitgeholfen, die Nothilfesets zu beschaffen, die wir an die Überlebenden verteilten. Man kann sich ja vorstellen, wie herausfordernd das war inmitten eines Katastrophengebiets.

Gibt es einen Tag, der aus deinem Haiti-Einsatz heraussticht?

Die ersten und letzten Tage waren am eindrücklichsten. Als wir Haiti erreichten, herrschte grosses Chaos. Wir hatten keine Ahnung, wie und wo wir anfangen sollten. Gegen Ende des Einsatzes sah die Situation ganz anders aus. Die positiven Folgen der Verteilungen waren offensichtlich. Die Hilfspakete boten Familien, die sich nach der Katastrophe mit den Wiederaufbau ihrer Häuser machten, Sicherheit und Schutz.

Zurzeit bist du in Bangladesch in der Rohingya-Krise im Einsatz. Ununterbrochen strömen Flüchtlinge ins Land. Was sind deine Eindrücke?

Ja, es kommen immer mehr Menschen und der Bedarf wächst stetig. Viele Hilfsorganisationen warten noch auf grünes Licht von der Regierung, um mit den Verteilungen beginnen zu können. Das bedeutet, unzählige Neuankömmlinge sind zunächst ohne Nahrung, sauberes Wasser, einem Dach über dem Kopf und medizinische Hilfe.

Frauen und Kinder sind in der Überzahl. Das hat einen traurigen Grund: Viele Ehemänner und Väter sind der Gewalt zum Opfer gefallen. Viele Frauen sind unterernährt, nach der Flucht aus Myanmar haben sie wochenlang kaum etwas zu sich genommen und können ihre Babys nicht mehr stillen. Dort, wo sich die Geflüchteten niederlassen, fehlen zudem angemessene sanitäre Anlagen. Das Risiko, dass sich ansteckende Krankheiten unter den Familien verbreiten, ist sehr hoch.

Inwiefern unterscheidet sich der jetzige Einsatz von dem in Haiti?

In Haiti verloren viele Menschen ihr Zuhause. Sie hatten jedoch nach wie vor Zugang zu lokalen Märkten und konnten aus den Trümmerteilen ihrer alten Häuser neue errichten. Die Rohingya-Flüchtlinge hingegen stehen mit leeren Händen da. Sie haben überhaupt kein Geld und sind vollständig auf die Hilfe von Organisationen wie Medair angewiesen.

Was sollten die Menschen hierzulande über diesen Einsatz unbedingt wissen?

Sie sollten sich bewusst sein, dass Flüchtlinge sterben werden, wenn sie in ihren grössten Nöten alleingelassen werden – das gilt vor allem für kleine Kinder. Wir tun, was wir können, um den Bedürftigsten unter ihnen zu helfen; meist sind das Frauen und Kinder. Der Bedarf ist unglaublich gross. Ich möchte, dass die Leute wissen: Ihre Unterstützung kommt an und wird dringend benötigt. Die Rohingya dürfen nicht vergessen werden!

Was zeichnet einen humanitären Helfer aus?

Humanitäre Krisenarbeit ist sehr, sehr anstrengend. Man ist rund um die Uhr im Einsatz und die Umstände ändern sich laufend. Daher reicht ein Plan A nicht, man braucht immer auch einen Plan B, C und D. Wer im humanitären Bereich arbeitet muss also extrem anpassungsfähig und kreativ sein.

Natürlich darf auch die richtige Motivation nicht fehlen. Wenn mal etwas nicht klappt oder ausser Kontrolle gerät, kann das stark enttäuschen und frustrieren. Man sollte also nie vergessen, weshalb man den Job macht – und für wen. Kommt es hart auf hart, dann hilft es sehr, sich die Not leidenden Menschen vor Augen zu halten.

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