Geschichten

Hunger bekämpfen: Wie wir junge Leben im Südsudan retten

Es war ein gefährlicher Marsch, barfuss und durch tiefen Schlamm in der Region Pibor im Südsudan. In brütender Hitze kommen die 32-jährige Nyakuoth und ihr kranker Sohn Tut erschöpft im Stabilisierungszentrum von Medair an. Obwohl der Weg zur Klinik gefährlich war und Raubüberfälle und Zusammenstösse rivalisierender Gruppen zu befürchten waren, hatte Nyakuoth keine andere Wahl. 

«Ich konnte zu Hause nichts tun, als mein Baby krank wurde», erklärt sie. «Wir haben keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung und Behandlung.» Der 12 Monate alte Tut litt seit einigen Tagen unter Erbrechen, wässrigem Durchfall und hohem Fieber. «Tut hat stark abgenommen, ich habe mir grosse Sorgen gemacht und mich so hilflos gefühlt», erinnert sich seine Mutter. 

Seit ihr Vieh bei einer schweren Überschwemmung Ende 2020 umkam, hat die Familie ihre Lebensgrundlage verloren. «Wir sind jetzt zum Überleben auf die Unterstützung humanitärer Organisationen angewiesen. Die Flut hat alles genommen», fügt Nyakuoth traurig hinzu. «Wir versuchen unser Bestes, um in unserem kleinen Garten Mais anzubauen, aber es reicht einfach nicht», ergänzt die Mutter.  

A mother holds her malnourished baby in a stabilisation centre.

Nyakuoth und Tut auf ihrem Bett im Stabilisierungszentrum.Name: Nyakuoth und Tut in dem Stabilisierungszentrum, in dem sie Unterstützung erhalten ©Medair/Stefan Kewitz

Die Geschichte von Nyakuoth und Tut ist leider kein Einzelfall. Der Südsudan ist das jüngste Land der Welt, doch derzeit herrscht dort die schlimmste humanitäre Krise seit seiner Unabhängigkeit. Anhaltende Konflikte und beispiellose Überschwemmungen haben viele Menschen in die Flucht gezwungen und die Lebensgrundlage unzähliger Menschen zerstört. Zwei Drittel der 12,4 Millionen der Landesbevölkerung sind von extremer Ernährungsunsicherheit und Unterernährung betroffen. Dies macht den Südsudan zu einem der Länder mit der weltweit grössten Nahrungsmittelunsicherheit.1 

Medairs Hilfseinsatz in Pibor begann mit der verheerenden Überschwemmung 2020, die auch die Familie von Nyakuoth getroffen hatte. Nachdem im Umfeld der Überschwemmungen auch ein Masernausbruch zu verzeichnen war, führte das Nothilfeteam erfolgreich eine Impfkampagne durch und richtete ein Ernährungs-Stabilisierungszentrum ein. Dort wird medizinische Notfallversorgung für unterernährte Kinder mit Zusatzerkrankungen unter fünf Jahren angeboten. 

A stabilisation centre run by a humanitarian organization.

Das Stabilisierungszentrum von Medair in Pibor bietet kostenlose Behandlung für unterernährte Kinder mit Zusatzerkrankungen unter 5 Jahren. ©Medair/Stefan Kewitz

Als Nyakuoth verzweifelt Hilfe für ihr Baby suchte, erzählten ihr Gemeindemitglieder ihr von dem Stabilisierungszentrum. Als sie nach einem stundenlangen Fussmarsch endlich ankommt, verliert das Klinikpersonal keine Zeit und beginnt sofort mit der Untersuchung. David, Projektleiter im Bereich Ernährung bei Medair, vermutet, dass Tut an Malaria leidet. Er soll Recht behalten: Der Test ist positiv. Für das schwache und akut unterernährte Kleinkind ist dieser Zustand lebensbedrohlich.  

A male humanitarian worker treats a malnourished baby.

David, Leiter für Ernährung bei Medair, misst den Oberarm des 12 Monate alten kleinen Tut im Stabilisierungszentrum. Der Umfang von nur 11,2 Zentimetern deutet auf schwere Unterernährung und sofortigen Handlungsbedarf hin. ©Medair/Stefan Kewitz

Die Untersuchung verdeutlicht auch, wie schwer unterernährt der kleine Tut ist. Der Umfang seines Oberarms beträgt nicht mehr als 11,2 Zentimeter. Mit einem Gewicht von nur 6,7 Kilogramm und einer Grösse von 72,5 Zentimetern ist es offensichtlich, dass Tut sofort Hilfe braucht. Er und seine Mutter werden nun eine Woche lang in der Klinik bleiben. Dies ist die übliche Behandlungsdauer für erkrankte Kleinkinder im Stabilisierungszentrum von Medair. Die kommenden Tage werden für Tut entscheidend sein. 

Two male humanitarian workers compile a treatment plan in a stabilization centre.

Im Stabilisierungszentrum erstellen David und sein Team den Behandlungsplan für ihren kleinen unterernährten Patienten Tut. ©Medair/Stefan Kewitz

Glücklicherweise haben Kinder mit den richtigen Medikamenten und therapeutischer Ernährung gute Chancen, sich von akuter Unterernährung zu erholen. Die Behandlung ist einfach und effektiv. Für die behandelten Kinder und ihre Familien verändert der lebensrettende Zugang zu medizinischer Grundversorgung alles. Nur dank der Bemühungen unserer erfahrenen medizinischen Fachkräfte und der finanziellen Unterstützung durch Spendende, die die Arbeit von Medair im Südsudan so tatkräftig unterstützen, können Tut und andere kleine Kinder wieder genesen.  

A malnourished child with therapeutic food in a stabilization centre.

Der kleine Tut erholt sich gut. Die Behandlung verläuft erfolgreich und das kleine Kind geniesst seine erste Mahlzeit mit Plumpy’Nut. ©Medair/Stefan Kewitz

Vier Tage nach der Ankunft zaubert uns dieser Anblick ein breites Lächeln ins Gesicht. Tuts Zustand hat sich deutlich verbessert. Die meisten Malaria-Symptome sind bereits verschwunden. Die therapeutische Milch, die er bekommen hat, hat ihn gestärkt und er hat etwas zugenommen. Stolz hält er seine allererste Portion Plumpy’Nut in die Kamera, eine kalorienreiche Erdnusspaste mit vielen essentiellen Nährstoffen. Geschichten der Hoffnung, wie seine machen Mut und stärken unsere Überzeugung, dass für ein Leben kein Weg zu weit ist. Seit Medair mit der Arbeit im Stabilisierungszentrum begonnen hat, wurden 350 Kinder aufgenommen und von unserem medizinischen Personal betreut. 


Die Arbeit von Medair in Pibor, Südsudan, wird von der United States Agency for International Development (USAID), von der britischen Regierung und von grosszügigen privaten Spenden getragen. 

Dieser Artikel wurde von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar.  

CONSULTEZ NOS DERNIÈRES HISTOIRES