Geschichten

Körperliche Beeinträchtigung – auch ein geistiges Hindernis

Die Syrienkrise hat Hunderttausenden das Leben gekostet und viele Menschen in Armut gestürzt. Darüber hinaus leben 28% der Gesamtbevölkerung im Alter von über zwei Jahren mit einer körperlichen Beeinträchtigung.

«Im Rahmen der bewaffneten Auseinandersetzungen ist die Zahl der Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen seit Beginn der Krise im Jahr 2011 regelrecht explodiert. Mangelernährung und unzureichende Gesundheitsversorgung führen zu weiteren Beeinträchtigungen. Auch Routineimpfungen wurden nicht regelmässig durchgeführt. Fehlt es an medizinischer Versorgung, kann sich eine einfache Beschwerde verschlimmern und sich zu einer dauerhaften Invalidität entwickeln», erklärt Jihad.

Jihad Al-Natour arbeitet seit 2015 für Medair und für die Betreuung von Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen zuständig. Zudem ist er zertifizierter Physiotherapeut.

«Mitunter stossen wir bei den unterstützten Menschen auf Widerstand. Es gibt Personen, die eigentlich in der Lage wären, mit einem Rollator und der Hilfe von Betreuungspersonen zu laufen, jedoch strikt auf einen Rollstuhl beharren. Dies kann ihren Zustand verschlechtern und letztlich zu einer Vollinvalidität führen», so Jihad.

«Manchmal ist die mentale Barriere stärker als die körperliche Beeinträchtigung. Wenn Menschen ihre Hoffnung schon aufgegeben haben, ist es schwer, ihnen neuen Glauben an sich selbst zu vermitteln und ihre Fähigkeit zu stärken, selbst etwas gegen ihre Lage zu tun.»

In Homs haben wir Jihad auf seinen Besuchen bei Menschen begleitet, denen Medair Anfang des Jahres Mobilitätshilfen zur Verfügung gestellt hat.

«Letztes Jahr war sie noch gesund, doch dann hatte sie plötzlich einen Schlaganfall. Seither kann sie nicht mehr sprechen und gehen», erzählt uns Halimas Vater Mohammad.

Halima ist verheiratet und hat einen Sohn. Ihre Familie kümmert sich um sie und hat versucht, sie zum Laufen zu animieren, doch Halima hatte die Hoffnung bereits aufgegeben. Jihad und Halimas Bruder haben sie gestützt und ermutigt, den neuen Rollator zu benutzen. Zuerst standen Halima Zweifel ins Gesicht geschrieben – sie war nicht davon überzeugt, dass er ihr wieder auf die Beine helfen würde. Doch dann wagte sie den ersten Schritt. Entschlossen machte sie weiter und schaffte beachtliche fünf Schritte, bevor sie sich ausruhen musste – Halima hatte es geschafft, die mentale Barriere zu überwinden.

Batool ist zehn Jahre alt und wurde mit Lähmungen geboren. Sie kann ihre Beine nur eingeschränkt benutzen, sodass sie entweder krabbeln oder getragen werden muss. Medair hat Batool einen speziell auf sie zugeschnittenen Rollstuhl zur Verfügung gestellt, damit sie sich besser fortbewegen kann.

«Sie ist ein kluges Kind. Wie Sie an den Bildern an der Wand sehen können, zeichnen sie und ihre Schwester leidenschaftlich gern», erzählt uns Batools Mutter Aysha.

«Ich wünsche mir, dass die Menschen Batool so sehen, wie sie wirklich ist: ein glückliches Kind mit grossen Ambitionen», erklärt Aysha.

Amna ist 65 Jahre alt. Sie kümmert sich um ihre Enkelinnen Marwa und Amna, die nach ihr benannt ist.

«Wie Sie sehen, ist das Gehen eine Qual für mich. Sogar beim Schlafen habe ich Schmerzen. Um die Schmerzen aushalten zu können, nehme ich viele Medikamente», erklärt Amna Jihad.

«Ich bin für die beiden Mädchen verantwortlich, da muss ich stark sein», sagt Amna.

Medair hat Amna eine Gehhilfe, einen behindertengerechten Toilettensitz und ein Bett zur Verfügung gestellt.

Im Rahmen seiner Gesundheitsaktivitäten konzentriert Medair sich auf Menschen mit eingeschränkter körperlicher Mobilität, wovon in Syrien jährlich 300 Menschen profitieren.

Darüber hinaus sorgt Medair in anderen Programmen dafür, dass Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen stärker berücksichtigt werden, beispielsweise bei der Sanierung von Gebäuden. Am Eingang von Kliniken werden Rollstuhlrampen angebracht, in Wohnungen werden die Bäder mit behindertengerechten Toilettensitzen ausgestattet und an den Treppen Haltegriffe angebracht.

«Medair Syrien ist bestrebt, weitere Projekte zu lancieren, die Menschen mit eingeschränkter Mobilität unterstützen und helfen, ein menschenwürdiges Leben zu führen», erklärt Dr. Vlad Chaddad, Gesundheits- und Ernährungsberater bei Medair Syrien.


Die Arbeit von Medair in Syrien wird durch den Katastrophenschutz und die humanitäre Hilfe der Europäischen Kommission, die Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), die Glückskette, SlovakAid und grosszügige private Spendende wie Sie ermöglicht.

 

Dieser Artikel wurde von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar.

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