Geschichten

Immer den Ohren nach: Anekdoten aus dem Feld

Die Arbeit bei einer humanitären Organisation stellt einen oft vor herausfordernde Situationen. Zugleich wird man Zeuge von bewegenden Ereignissen und ermutigenden Erfolgserlebnissen, die man gerne immer wieder erzählt. Ammar ist für Medair in Syrien tätig und Beauftragter für Infrastruktur sowie für Wasser, sanitäre Anlagen und Hygiene (WASH). Im Gespräch erzählt er uns von seinen Erfahrungen im Feld.

«Mein erstes Projekt mit Medair war die Sanierung einer Wasserstation. Als die Pumpe nach unseren Arbeiten funktionierte, war ich ausser mir vor Freude. Ich stellte mich unter den laufenden Strahl, so froh war ich über das Ergebnis unserer Bemühungen. Da wurde mir richtig klar, wie lebensverändernd unsere Arbeit ist», so Ammar.

 

Ammar schildert den Projektverlauf im Detail:

«Es gab einen 1000 Kubikmeter fassenden Wassertank, der früher etwa 13 Dörfer mit Wasser versorgt hatte. Er war zuletzt vor ungefähr 9 Jahren gefüllt und seitdem nicht repariert worden, weil die Gegend lange als unsicher galt.

Zuerst reparierten wir die Wasserleitung zum Tank. Dann war es an der Zeit zu prüfen, ob das Wasser den Tank auch erreicht. Ich stationierte Teammitglieder entlang der Leitung, sodass sie mich informieren konnten, sobald das Wasser bei ihnen ankam.

Beim ersten Versuch warteten wir stundenlang, aber nichts passierte. Niemand vermeldete einen Wasserfluss. Wir waren frustriert, doch gaben die Hoffnung nicht auf.

Am nächsten Tag versuchten wir es nach einigen Reparaturarbeiten an der Leitung erneut. Der ganze Prozess begann von vorn. Das Wasser braucht etwa drei Stunden, um den Tank zu erreichen. Wie beim ersten Mal waren Leute vom Team entlang der Strecke stationiert. An diesem Tag erreichte das Wasser die erste Station, dann die zweite und dritte. Man konnte den Fluss des Wassers unter der Erde hören. Doch es erreichte nicht die letzte Station.

Drei Stunden vergingen, aber nichts geschah. Ich setzte mich mit dem Bauleiter zusammen. Wir waren entmutigt und überzeugt, dass das Projekt gescheitert war.

In der Gegend lebte ein blinder Junge namens Daniel. Daniel kam auf uns zu und sagte: «Ich kann das Wasser von weit weg kommen hören.» Wir selbst hörten nichts. Plötzlich bemerkten wir jedoch, dass Daniel recht hatte. Das Wasser hatte die letzte Station erreicht. Das Gefühl in diesem Moment war unbeschreiblich! Zu wissen, dass die Menschen endlich Wasser trinken können! Wir waren froh, dass wir die Hoffnung nicht aufgegeben und unser Ziel weiterhin vor Augen behalten hatten: sicheres und sauberes Trinkwasser für Tausende von Menschen.»

Gerne möchten wir von Ammar wissen, was ihn bei der humanitären Arbeit motiviert.

«Für uns steht die Wirkung der Projekte im Vordergrund. Wir wissen, dass Tausende Leben von unserer Arbeit abhängig sind, und das treibt uns zu Höchstleistungen an», erklärt Ammar.

«Wir wählen immer Projekte, die eine Situation komplett verändern, die etwas aus dem Nichts schaffen. So funktioniert Nothilfe. Wir sorgen dafür, dass durstige Menschen Trinkwasser zur Verfügung haben, und dass Familien geschützt werden, indem wir Abwassersysteme und Häuser reparieren. In Gebieten mit einem hohen Anteil an Rückkehrenden und Binnenvertriebenen verteilen wir lebenswichtige Haushaltsgüter. So können wir die tägliche Not lindern und die Menschen finanziell entlasten, weil sie nicht mehr komplett bei null anfangen müssen», so Ammar. Er fügt hinzu, «Wir haben Gebiete besucht, in denen es keine medizinische Versorgung gab. Wenn wir ein primäres Gesundheitszentrum instand setzen und ausrüsten, müssen die Familien für ärztliche Behandlungen nicht mehr in andere Städte fahren.»

Zuletzt fragen wir Ammar, woher seine Leidenschaft für seine Arbeit in der humanitären Hilfe kommt, und er antwortet:

«Es wäre gelogen zu sagen, dass es ein einfacher Job ist. Es gibt Herausforderungen von Anfang bis Ende. Bis ein Projekt umgesetzt wird, dauert es sehr lange. Manchmal ist es schwierig, die Hoffnung zu bewahren. Wenn mir aber jemand zum Beispiel erzählt, dass es vorher keinen Tropfen Wasser gab und jetzt Trinkwasser für alle da ist, dann verfliegen aller Zweifel und Frust und verwandeln sich in Freude und Dankbarkeit. Deshalb ist meine Arbeit in der humanitären Hilfe wichtig.»

 


Die Arbeit von Medair in Syrien wird durch den Katastrophenschutz und die humanitäre Hilfe der Europäischen Kommission, UNOCHA, die Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), die Glückskette, SlovakAid und grosszügige private Spendende wie Sie ermöglicht.

 

Dieser Artikel wurde von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar.

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