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Ein Jahrestag, den niemand feiern wird

Reflexionen über zwei Jahre Einsatz in der Ukraine - erzählt von unserem wunderbaren Team

Reflexionen über zwei Jahre Einsatz in der Ukraine – erzählt von unserem wunderbaren Team

Stellen Sie sich vor, Sie hören das Geräusch von Granaten an ihrem Wohnort. Jeden Tag, seit über 700 Tagen. Das ist die düstere Realität für so viele Menschen in der Ukraine seit Beginn des Krieges am 24. Februar 2022.

In dieser Zeit haben Tausende Menschen ihr Leben verloren. Zivilisten als auch Kinder sind unter den Opfern. Die Infrastruktur ist schwer beschädigt und Millionen von Menschen sind vertrieben worden. Entstanden ist eine massive humanitäre Krise, die keine Anzeichen für ein Abklingen zeigt. Weiterhin kämpfen unzählige Einzelpersonen und Familien täglich ums Überleben.

 

Schnelle Reaktion

Seit Medair als erste ausländische NGO in Kiew registriert wurde, um auf den Konflikt zu reagieren, arbeiten unsere Teams täglich unermüdlich daran, die Not der ukrainischen Bevölkerung zu lindern und Menschen neue Hoffnung zu schenken. Es gibt noch viel zu tun und unsere Arbeit geht weiter. Unsere Programme konnten wir in den vergangenen zwei Jahren weiterentwickeln und optimieren, sodass sie den sich ständig ändernden Bedürfnissen der Menschen gerecht werden.

Damon, leitendes Mitglied des Nothilfeteams von Medair, erinnert sich an die Anfänge des Einsatzes: «2022 wurde ich zusammen mit zwei Kollegen an die ostpolnische Grenze entsandt. Wir kamen am 8. März an. Innerhalb einer Woche besuchten wir mehrere westukrainische Städte, trafen uns mit den jeweiligen Bürgermeistern und überlebenden Vertriebenen. Wir mobilisierten Mitarbeitende, um ein Team zusammenzustellen. Zwei Jahre später scheint es, als haben sich die Gewalt und die Not nur noch verschärft.»

Die sich ständig ändernden Bedürfnisse erfüllen

Im Laufe der zwei Jahre hat Medair einen komplexen und anspruchsvollen Prozess durchlaufen, um unsere Arbeit in verschiedenen Bereichen zu verbessern und die Bedürfnisse der Menschen und Gemeinden genau zu ermitteln. Dank des breiten Spektrums an Fachwissen, über das unser Team verfügt, konnten wir die Palette unserer Dienstleistungen erheblich erweitern.

Esteban, der Medair-Berater für Unterkünfte, erklärt: «Unser Team für Unterkünfte und Infrastruktur hat sich landesweit qualitativ und quantitativ verbessert. Wir haben heute ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse der Menschen und Gemeinschaften und können somit die am besten geeigneten Reparaturlösungen bereitstellen. Zudem hat das Team nun einen Fallmanagement-Ansatz für Unterkünfte eingeführt. Dadurch können wir Binnenvertriebenen helfen, passende Wohnlösungen zu finden und ihre Lebensbedingungen durch die Reparatur von Häusern verbessern.»

Seit dem Sommer letzten Jahres – und zum ersten Mal seit der Befreiung der Region im Jahr 2022 – konnten unsere Unterkunftsteams in abgelegene Gebiete im Osten der Ukraine vordringen und wichtige Reparaturarbeiten an beschädigten Häusern und Infrastrukturen durchführen. Auch im Norden haben wir unsere Leistung durch neue Mitarbeitende und die Ausweitung auf neue Gebiete erhöht.

Wichtig für uns ist, dass wir nicht nur die richtige Arbeit leisten, sondern sie auch auf höchstem professionellem Niveau durchführen. In allen Gemeinschaften, die wir unterstützen, verteilen wir eine Hotline-Nummer, über die uns die Menschen Feedback zukommen lassen können. Wir schätzen Rückmeldungen, denn durch sie können wir uns verbessern. Meistens rufen uns die Leute jedoch an, um sich einfach zu bedanken, und das freut uns natürlich besonders.

 

Unser Team – vielfältig, talentiert, lokal

Der eigentliche Schlüssel zu unserem Engagement in den Gemeinschaften, denen wir helfen, sind unsere wunderbaren ukrainischen Kolleginnen und Kollegen. Obwohl sie selbst den Krieg erlebt haben, helfen sie, wo immer sie gebraucht werden. Das Team hat sich seit 2022 verdoppelt und besteht aus einer gesunden Mischung aus verschiedenen Altersgruppen und Erfahrungen. Vereint werden sie durch ein gemeinsames Ziel: einen Unterschied zu bewirken.

Damon ist sich dieses Personalwandels bewusst: «Abgesehen von einer systematischen Aufstockung habe ich beobachtet, dass ukrainische Kollegen leitende Funktionen übernehmen, so dass die Programme unter Berücksichtigung lokaler Erkenntnisse und Prioritäten konzipiert und geleitet werden können. Es ist sehr ermutigend zu sehen, wie diese lokalen Führungskräfte aufsteigen und ein vielfältiges und multikulturelles Team ergänzen.»

 

Echtes gesellschaftliches Engagement

Es war schon immer Teil der DNA von Medair, eng mit den Menschen vor Ort zusammenzuarbeiten, offen zu kommunizieren, ihnen zuzuhören und sie in den Mittelpunkt der Entscheidungsprozesse zu stellen. Wir werden bei der Bedarfsermittlung immer besser, und unsere Feedback-Mechanismen stellen sicher, dass die von uns geleistete Hilfe angemessen und effektiv ist.

Olha, Projektbetreuerin bei Medair in der Nordukraine, erklärt: «Medair ist stets bemüht, enge und vertrauensvolle Beziehungen zu den Gemeinschaften aufzubauen, in denen wir tätig sind. So kann eine reibungslose Durchführung unserer Aktivitäten in den Gemeinschaften gewährleistet werden.»

Rachel, stellvertretende Landesdirektorin von Medair, stimmt dem zu: «In den zwei Jahren, in denen wir in der Ukraine tätig sind, haben wir unsere Zusammenarbeit mit den lokalen Organisationen verstärkt und starke, zuverlässige Partnerschaften aufgebaut. Mit jedem erfolgreichen Projekt und jeder Interaktion mit unseren Partnern wächst unser Vertrauen und bestärkt uns in der Überzeugung, dass wir gemeinsam mehr bewirken können, um den Menschen in Not zu helfen.»

Echte Empathie

Viele unserer Mitarbeitenden können sich gut in die Menschen einfühlen, die wir betreuen, da sie selbst Binnenvertriebene sind. Irina, Assistentin für Fallmanagement in der Westukraine, erinnert sich an den erschütternden Moment, in dem sie wusste, dass sie ihre Heimat im Osten verlassen musste – und an den Weg, der sie zu Medair führte: «Wir wachten auf, als wir in der Nähe Explosionen hörten. Wir wussten, dass wir schnell aufbrechen mussten, und packten ein paar Dokumente und Winterkleidung zusammen. Ich erinnere mich, wie ich meinen Mann umarmte. Als wir uns verabschiedeten, wurde uns beiden der Ernst der Lage bewusst. Dann machten wir uns mit meinem 12-jährigen Sohn und meiner Mutter auf den Weg ins Ungewisse.»

Sie fährt fort: «Als wir in der Stadt Winnyzja ankamen, kamen wir in einer Gemeinschaftsunterkunft unter. Wir hatten keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Ich begann, meinen Lebenslauf zu verschicken, weil ich dachte, ich würde keine gute Arbeit finden, aber ich hatte Glück und fand Arbeit bei Medair.»

«Da ich selbst eine Vertriebene bin, ist diese Arbeit für mich sehr erfüllend. Denn ich weiss, dass ich Menschen helfen kann, die sich in der gleichen Situation befinden wie ich. Ich spüre, sehe und verstehe ihre Bedürfnisse. Ich kann ihnen durch mein Beispiel zeigen, dass sie nicht aufgeben, sondern weitermachen sollen. Die Arbeit bei Medair hat mich gestärkt und mir den Glauben an das Leben und daran gegeben, dass alles möglich ist.»

 

Der Bedarf an Unterstützung ist nach wie vor dringend

Die Lage in der Ukraine ist jedoch nach wie vor katastrophal, und während der Krieg weitergeht, leiden vor allem Frauen, Kinder, ältere Menschen und Kranke.

Marco, Medair-Landesdirektor für die Ukraine, fasst zusammen:

«Wir haben festgestellt, dass sich der Bedarf an humanitärer Hilfe in der Ukraine deutlich verändert hat, da sich der Konflikt weiterentwickelt hat und die Gemeinden unterschiedlich betroffen sind. Grundsätzlich gilt jedoch, dass die Menschen nach wie vor dringend Hilfe benötigen, sei es Zugang zu sicherem Wasser, Unterkünften, medizinischer Versorgung oder psychologischer Unterstützung.»

Das zweijährige Jubiläum ist ein besonders schwieriges, wie Marco erklärt:

«Zwei Jahre ist es her, seit der Krieg in der Ukraine begann, und genau anderthalb Jahre, seit ich in dieses Land kam, um humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung zu leisten, die unter den schrecklichen Folgen des Konflikts leidet. Dies ist ein besonders schwieriger Jahrestag für mich und für uns alle, denn letzte Woche wurden zwei Mitarbeitende einer anderen christlichen humanitären Organisation bei einem Drohnenangriff getötet, als sie versuchten, der Zivilbevölkerung in einem besonders abgelegenen und schwer zugänglichen Gebiet Hilfe zu bringen. Ich frage mich, ob dieser Wahnsinn jemals enden wird. Ich kann keine Antworten finden, ich kann nur Gott dankbar sein, dass ich noch lebe und dass mein Team heute in Sicherheit ist.»

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