Geschichten

CEO-Blog: Was es zur Nachverfolgung von Covid-19-Ausbrüchen braucht

Oft bedeutet dies praktische Unterstützung. In Afghanistan arbeiten meine Kollegen beispielsweise mit Müttern wie Lalma zusammen. Sie zeigen ihnen, wie sie mit Hilfe von speziellen Messbändern feststellen können, ob ihre Kinder unterernährt sind und eine Behandlung durch das Ernährungsteam von Medair brauchen. Im Libanon hat unser Team kürzlich geholfen, das Haus von Saad zu reparieren, das bei der verheerenden Explosion in Beirut im August 2020 schwer beschädigt worden war. Der Regen dringt nun nicht mehr durch die zerbrochenen Fenster in die Wohnung ein. Ausserdem ermöglicht ein Treppengeländer, dass er sein Zuhause trotz einer Gehbehinderung verlassen kann.

Es geht aber auch um unsere eigenen Mitarbeitenden. Mit dem Ausbruch der Pandemie änderte sich unsere Programmplanung über Nacht. Inmitten eines landesweiten Lockdowns mussten wir Wege finden, die Grundversorgung aufrechtzuerhalten und Informationen über Händewaschen und Kontaktbeschränkungen an Gemeinschaften mit eingeschränkter Internet- oder Mobiltelefonverbindung zu vermitteln. Besonders wichtig war die Frage, wie wir unsere Mitarbeitenden schützen können. Gesundheitspersonal leistet einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie, ist aber weltweit einem hohen Risiko ausgesetzt. Indem wir unsere Mitarbeitenden schützen, begrenzen wir die Ausbreitung des Virus und können weiterhin Grundleistungen für die von der Pandemie am schwersten Betroffenen erbringen.

Kimberly, unserer damaligen Landesverantwortlichen im Irak, wurden von mehreren Stützpunkten Verdachtsfälle von Covid-19 gemeldet. Sie machte sich grosse Sorgen um das Team: Das Gesundheitssystem im Irak ist zerbrechlich, der landesweite Lockdown schränkte die Bewegungsfreiheit und den Zugang zu medizinischer Behandlung ein.

Nicht-Erkrankte sprachen mit Erkrankten. Sie fragten nach Symptomen, blieben in Kontakt und klärten ab, ob andere Haushaltsmitglieder ebenfalls Symptome hatten. Die Gespräche dauerten manchmal mehrere Stunden. Oft mussten Sprachbarrieren überwunden oder Anrufe wiederholt werden, weil das Netz zusammenbrach oder Mitarbeitende nicht zu erreichen waren. Per SMS, E-Mails, Skype und Excel-Dateien versuchten unsere Mitarbeitenden, den Krankheitsverlauf zu begleiten. Basierend auf den bruchstückartigen Informationen musste Kimberly dann Entscheidungen über die Weiterführung von Aktivitäten oder deren Aufschub treffen, doch erwies sich die Vorgehensweise als wenig effektiv.

Gemeinsam mit unserer Innovationsexpertin Dominika entwickelte Kimberly die Idee für eine App, mit deren Hilfe nicht nur Symptome von Covid-19 nachverfolgt und gemeldet, sondern auch Protokolle zur Einhaltung von Vorschriften und die Kommunikation im Zusammenhang mit Covid-19 verwaltet werden können. Die App Ready2Report (R2R) soll eine sichere Zwei-Wege-Kommunikation zwischen Mitarbeitenden in Isolation und ihren Vorgesetzten ermöglichen, sowie unter anderem Echtzeit-Analysen der betroffenen Personen, Daten der letzten Covid-19-Tests und die Anzahl der Tage in Isolation erstellen. Basierend auf den Informationen sollen Führungskräfte fundierte Entscheidungen zur Programmplanung treffen und die Einhaltung von Protokollen verfolgen können (z.B. über den Zeitpunkt der Rückkehr an den Arbeitsplatz nach der Genesung).

Nachdem sich Medair Ende 2020 aus dem Irak zurückgezogen hatte, setzte Kimberly ihre Arbeit in diesem Bereich und mit Medair fort. Sie gründete riskDelight, LLC, ein Innovations- und Technologieunternehmen mit Sitz in Atlanta, USA. Medair und riskDelight beantragten gemeinsam erfolgreich einen Förderbeitrag des Innovationsfonds der Glückskette für die Entwicklung der R2R-App. Wir stellten daraufhin ein Team aus humanitären Helfern mit Erfahrung in den Bereichen Personalwesen, Gesundheit, IT und Innovation zusammen. Dieses begann sofort mit der Entwicklung der App, die hoffentlich die Verwaltung und den Umgang mit Covid-19-Fällen in unseren Teams entscheidend verbessern wird. Die App befindet sich jetzt in der Endphase der Entwicklung und soll im Februar in zwei Länderprogrammen von Medair getestet werden.

Wir freuen uns über die Möglichkeit, die diese App bietet. Im Moment testen wir sie mit Blick auf Covid-19, doch hat sie enormes Potenzial für mehr. Sobald Kinderkrankheiten Anlaufschwierigkeiten behoben sind, könnte die App auch bei anderen epidemiologischen Ausbrüchen wie Ebola eingesetzt werden (auf diese Infektionskrankheit haben wir bereits zweimal reagiert – einmal in der Demokratischen Republik Kongo und einmal in Sierra Leone) oder bei hochansteckenden Grippestämmen (wie H1N1, der letzten weltweiten Pandemie). Wir hoffen, dass diese App auch anderen humanitären Organisationen bei der Reaktion auf diese und zukünftige Viruserkrankheiten helfen wird.

Der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt – dieser Grundsatz schliesst unsere Mitarbeitenden mit ein. Die Covid-19-Pandemie hat uns gezwungen, im Denken und Handeln flexibel zu sein. Wir mussten unsere Programmplanung anpassen, um die Ausbreitung des Virus zu begrenzen. Die Ready2Report-App wird helfen, Entscheidungen schneller zu treffen und unsere wertvollste Ressource – unsere Mitarbeitenden – zu schützen. Damit schützen wir gleichzeitig Menschen wie Lalma und Saad.

Denn der Mensch steht für uns im Mittelpunkt.


Die Entwicklung der Ready2Report-App wird von der Glückskette finanziert.

Dieser Artikel wurde von Mitarbeitendn von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar.

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