Geschichten

CEO-Blog: Unser Streben nach Innovation

Madagaskar steht nicht oft genug im Fokus. In den Medien wird zwar über die dramatische Notlage berichtet, doch sind nur wenige Hilfsorganisationen vor Ort. Frauen wie Noro bekommen das zu spüren.

Noro lebt mit ihren zwei Kindern im nördlichen Madagaskar. Der tropische Sturm überraschte sie zuhause. «Auf die steigenden Fluten waren wir nicht vorbereitet,» sagte sie. «Wir mussten alles zurücklassen. Betten, Matratzen, Eimer und auch die Schulsachen der Kinder waren im Haus. Unser gesamtes Hab und Gut wurde zerstört.»

Solche Katastrophen ereignen sich häufig in Madagaskar. Jedes Jahr fegen vier bis fünf verheerende Stürme begleitet von sintflutartigen Niederschlägen über das Land und führen dabei oft zu fatalen Überschwemmungen. Dabei werden nicht nur Häuser, Existenzgrundlagen und die lokale Infrastruktur zerstört, sondern auch das Wasser verseucht. Die Folge sind Krankheiten wie Cholera und die Beulenpest, wie sie zuletzt 2017 in Madagaskar auftrat. Gleichzeitig leidet der Süden des Landes weiterhin unter der zweitschlimmsten Dürre seit 1974. Um zu überleben essen Familien mit Lehm vermischte Tamarindenfrüchte, berichtet das Welternährungsprogramm.

 

Der Innovation in Madagaskar verpflichtet

Aufgrund der häufigen Wirbelstürme und Unwetter ist unser Nothilfeteam in Madagaskar ständig einsatzbereit und bildet in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz und den Pfadfindern ein nationales Nothilfeteam. Im Falle eines herannahenden Zyklons stehen wir in ständiger Verbindung mit unseren Partnern von Mission Aviation Fellowship (MAF) und dem UN-Büro für die Koordination humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA). Kürzlich haben wir in Zusammenarbeit mit MAF mittels Luftaufnahmen die Schäden des Zyklons Eloise ermittelt. Die Ergebnisse teilen wir mit Organisationen in Madagaskar und der ganzen Welt.

Die Zusammenarbeit in Notlagen funktioniert gut, doch genauso wichtig ist es, die Auswirkungen auf Familien wie die von Noro zu lindern. Wir arbeiten stets daran, unsere Unterstützung für Betroffene zu verbessern und Wege zu finden, menschliches Leid zu lindern, Hoffnung zu schenken und ihre Würde zu bewahren.

Viele Gemeinschaften in Madagaskar haben trotz der Gefahr von tropischen Stürme kein Frühwarnsystem. Oft erreichen Unwetterwarnungen des Meteorologischen Instituts nicht die im Sturmgebiet lebenden Menschen und geben keine Auskunft über das Ausmass möglicher Überschwemmungen. Da lokale Nothilfeteams wegen ihrer begrenzten Ressourcen manchmal nicht schnell genug in die Krisengebiete gelangen, müssen Familien oft tage- oder wochenlang ohne Unterkunft oder sauberes Wasser auskommen.

Es ist Zeit, zu handeln.

 

Notruf 930

Unser Streben nach Innovation haben wir mit dem Wissen unterstützter Gemeinschaften und unserer jahrelangen Erfahrung in der Nothilfe für Unwetteropfer im Norden Madagaskars verbunden. In Zusammenarbeit mit dem nationalen Katastrophenschutz und Wetterdienst, sowie zwei Partnern aus der Privatwirtschaft – dem Earth Network und Viamo – haben wir ein digitales Frühwarnsystem aufgebaut. Das System nennen wir wegen der damit verknüpften Notrufnummer die 930.

Die 930 nutzt Satellitenbilder, Lichtsensoren und Gefahrenkarten von lokalen Flusssystemen, um Hochwasserrisiken für die Gemeinschaften flussabwärts mit entsprechenden Zeitangaben vorauszusagen. Unsere Frühwarnungen geben Familien genügend Zeit, um zu reagieren. Die Gemeinschaften wurden geschult und Sirenen installiert, um sie wirksam vor potenziell verheerenden Wetterereignissen zu warnen. Eine Notrufnummer informiert über nationale Katastrophen und darüber, was bei einer Gefahrenmeldung zu tun ist. Nach Überschwemmungen können Gemeinschaften Schäden über die Nummer 930 an den nationalen Katastrophenschutz melden.

«Dieses Projekt ermöglicht uns die Verbesserung des Überwachungs- und Informationsverbreitungssystems», sagt Voahangy, Leiter der Wetterbeobachtung beim nationalen Wetterdienst. «So können die Regierung von Madagaskar und humanitäre Organisationen zeitnah Nothilfe leisten.»

Unser Ziel

Mit Hilfe dieses Frühwarnsystems wollen wir erreichen, dass es bei Wirbelstürmen weniger Tote, Verletzte, Evakuierte, Vertriebene und Notleidende gibt. Dieses Ziel ist sicherlich ambitiös.

Das Frühwarnsystem kann nicht verhindern, dass bei Tropenstürmen Dächer von Häusern gerissen, Wohngebiete überflutet oder wichtige Infrastruktur wie Brücken, Schulen und Krankenhäuser zerstört werden. Es bietet lokalen Gemeinschaften jedoch Zugang zu notwendigen Informationen, um Entscheidungen für ihre persönliche Sicherheit zu treffen. Sturmwarnungen informieren über potentiell schwere Windböen und Überschwemmungen. Sie informieren die Bevölkerung über die besten Evakuierungsmöglichkeiten und das damit verbundene Zeitfenster. Dadurch können sie Freunde und Nachbarn rechtzeitig warnen und sich gegenseitig helfen. Unsere geschulten lokalen Nothilfeteams können umgehend Materialien für Notunterkünfte und die Reinigung von kontaminiertem Wasser bereitstellen, um Krankheiten und Leid nach einem schweren Tropensturm zu mindern.

Die Wirkung des Frühwarnsystems ist bereits sichtbar: Allein im Jahr 2020 gingen mehr als 38 000 Notrufe ein, und die Sturmwarnungen erreichten mehr als 270 000 Menschen in drei katastrophengefährdeten Bezirken.

Genügt dies? Oder können wir mehr tun?

Viel müsste geschehen, um das Übel wiederkehrender Naturkatastrophen wie dieser Tropenstürme an der Wurzel zu packen. Globale Strategien zur Bewältigung der Klimakrise sind dringend erforderlich, um die von Wirbelstürmen betroffenen Gemeinschaften im Norden und die von Hunger und Dürre betroffenen Gemeinschaften im Süden zu unterstützen. Bereits vor COVID-19 war Madagaskar eines der ärmsten Länder der Welt. Der monatelange Lockdown hat das Land zudem wirtschaftlich in die Knie gezwungen. Viel mehr Humanitäre Hilfe ist nötig zur Unterstützung der mit knappen Ressourcen ausgestatteten Krankenhäuser und der von der Klimakatastrophe betroffenen Gemeinschaften. Dabei ist der Zugang zu sauberem Trinkwasser ebenso wichtig wie die Förderung des wirtschaftlichen Wachstums in Madagaskar.

Wir können die Herausforderungen nicht allein meistern. Innovationen tragen jedoch dazu bei, dass Familien wie die von Noro nicht noch mehr unter den Auswirkungen der Klimakrise und damit unter weiteren Naturkatastrophen leiden müssen. Unsere Frühwarnsysteme tragen dazu bei, denn jedes Leben ist die Extrameile wert.

Erfahren Sie hier, wie Sie unser Nothilfeteam unterstützen können und lesen Sie hier mehr über unsere Arbeit in Madagaskar.


 

Die Arbeit von Medair in Madagaskar wird vom Europäischen Amt für humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz, dem UN-Kinderhilfswerk, der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, der Private Sector Humanitarian Platform, dem Rotary Club und grosszügigen privaten Spendern finanziert.

Dieser Artikel wurde von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar.

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