Geschichten

CEO-Blog: Rückblick auf ein Pandemiejahr

Fernab, in den Bergen des schneebedeckten afghanischen Hochlandes verteilt unser Team Seife. Mitglieder der Gemeinschaft sitzen mit Abstand von zwei Metern da und beobachten, wie unsere freiwilligen lokalen Gesundheitsmitarbeitenden zeigen, wie man richtige Hände wäscht. Unsere Freiwilligen tragen Mundschutz und stehen ebenfalls zwei Meter auseinander. Nach Abschluss der Präsentation gehen die Gemeinschaftsmitglieder zu den wiederum mit Abstand auf Planen ausgebreiteten Seifenstücken. Alles findet unter Einhaltung der Hygieneregeln statt.

Vor achtzehn Monaten hätte man die Szene absurd gefunden. Warum so viel Abstand? Wozu Mundschutz? Warum Seife im Freien verteilen und nicht in einem Gemeinschaftszentrum? Ein gutes Jahr nach dem Erscheinen von Covid-19 gehören solche Szenen zur neuen Normalität. Heute vor einem Jahr, am 11. März 2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation Covid-19 offiziell zur Pandemie. Damit begann der Start ins Ungewisse: Homeoffice, Mundschutz und Kontaktbeschränkungen. Binnen kurzer Zeit hat man sich daran gewöhnt.

 

Unsere Arbeitsweise hat sich drastisch verändert

Die Pandemie hat unsere Arbeit in jeder Hinsicht verändert, sei es bei der Bereitstellung lebensrettender Nahrung und psychosozialen Beratungsangeboten, der Mitarbeiterfürsorge oder bei Neueinstellungen. Auch wenn wir viel Erfahrung mit der Bekämpfung von Ebola- und Masernausbrüchen haben, ohne Impfstoff auf eine weltweit neuartige Viruspandemie zu reagieren, ist auch für uns Neuland. Zur Einhaltung der Auflagen, dem Schutz unserer Teams und der unterstützten Gemeinschaften mussten wir unsere Arbeit, die Versorgung der Menschen, die Bewegung von Mitarbeitenden oder den Transport und die Verteilung von Versorgungsgütern noch sorgfältiger planen.

Unsere Arbeit bleibt von der Pandemie geprägt

Mit den ersten Impfungen scheint das Licht am Ende des langen Tunnels in Sicht. Dennoch bleibt unsere Arbeit von den Veränderungen geprägt. Während Länder wie Afghanistan und der Südsudan erste Lieferungen des Coronavirus-Impfstoffs erhalten haben, könnten die Impfkampagnen dort wie auch in anderen Einsatzgebieten aufgrund von Konflikten, Naturkatastrophen und einer mangelnden Infrastruktur erschwert sein. Wir werden unsere Covid-19-Präventions- und Aufklärungsarbeit vielleicht noch lange fortsetzen, nachdem andere Länder wie meine Heimat, die Niederlande, oder mein derzeitiger Wohnort, die Schweiz, zur Normalität zurückgekehrt sind. Natürlich stehen wir soweit möglich für die Unterstützung von Impfkampagnen bereit.

Nicht zu unterschätzen ist die unerwünschte Nebenwirkung von Covid-19: Der Hunger. Die Zahl der weltweit vom Hungertod bedrohten Menschen hat sich 2020 aufgrund von Arbeitsplatzverlusten und Reisebeschränkungen verdoppelt. Viele können ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten und es gibt Probleme beim Kauf von Gütern oder dem Transport über regionale oder internationale Grenzen. David Beasley, Leiter des Welternährungsprogramms, bezeichnete die Lage als Hungerpandemie. Mit unseren Programmen für Ernährungs- und Nahrungsmittelsicherheit leisten wir in einigen der grössten Hungerkrisen der Welt dringend benötigte Unterstützung. Die Schwere der Hungerpandemie könnte eine Ausweitung dieser Programme oder weitere Einsätze erforderlich machen.

Uns hat die Pandemie nicht verändert

Zweifellos ist unsere Arbeit durch die Pandemie wesentlich schwieriger geworden und wir werden die Auswirkungen wohl noch einige Jahre spüren. Das betrifft nicht nur die von uns unterstützten Gemeinschaften, sondern auch die Art und Weise, wie wir den am stärksten betroffenen Ländern der Welt Hoffnung bringen, unsere Teams betreuen und uns in diesen schwierigen Zeiten gegenseitig unterstützen.

Die Pandemie hat uns in vielerlei Hinsicht näher zusammengebracht und an die Bedeutung unserer Mission erinnert. Als Mitglieder unseres Teams im Libanon ein Hygieneset an Hana übergaben, dankte sie ihnen mit den Worten: «Glauben Sie mir, nicht die Seife, die Sie bringen, ist das Wichtigste, sondern Ihre Anwesenheit.» In Afghanistan konnten wir dank guter Beziehungen zu den lokalen Gemeinschaften auch während der Pandemie weiterarbeiten und Kinder wie der 16 Monate alten Roya gegen schwere Unterernährung behandeln. In vielen Länderprogrammen haben wir unsere Bargeldhilfe so angepasst, dass gefährdete Familien weiterhin ihre Miete bezahlen und den Kindern zu essen geben können. Eine Frau sagte zu mir: «Die Unterstützung ist an sich sehr wichtig, aber das Wichtigste ist die Hoffnung und Würde, die Sie uns damit wiedergeben.»

Die Pandemie konnte uns in den letzten 12 Monaten nicht davon abhalten, Menschen in Not zu unterstützen. Nichts hat sich an unserem Auftrag geändert, Hilfe an entlegene und schwer zugängliche Orten zu bringen. Wir bleiben überzeugt von dem Wert jedes einzelnen Lebens. Trotz der Pandemie haben wir in Honduras auf mehrere Wirbelstürme reagiert, ebenso wie auf den Konflikt in Tigray, schwere Überschwemmungen im Südsudan und die Explosion in Beirut. Sicher, alles ist schwieriger geworden. Die Pandemie hat uns gezwungen, unsere Arbeitsweise zu überdenken, uns selbst hat sie nicht verändert.

Wir engagieren uns weiter für die mutigen, von uns unterstützten Familien und die wunderbaren Menschen, die uns dabei begleiten. Jedes Leben ist die Extrameile wert – besonders während einer Pandemie.


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Dieser Artikel wurde von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar.

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