Geschichten

CEO-Blog: Eine Notlage mitten in der Krise

Als wir 2012 im Libanon ankamen, wollten wir Menschen wie Ramia helfen. Ramia stammt aus der Stadt Homs im benachbarten Syrien. Wie Millionen andere war sie vor Bombenangriffen und Gewalt in ihrem Heimatland geflüchtet und hatte Zuflucht im Libanon gesucht, in der Hoffnung auf ein sicheres Leben für sich und ihren Sohn. Ihre erste Nacht im Libanon verbrachte sie allerdings in einer Schlammpfütze. «Ich fühlte mich wie eine Obdachlose, die auf der Strasse lebt», erinnert sie sich. 

Kürzlich haben die Nachrichten aus dem Libanon uns allen vor Augen geführt, wie die verheerende Explosion im Zentrum von Beirut mehr als 300 000 Menschen obdachlos gemacht hat. Unsere Teams im Libanon helfen den Menschen immer noch unermüdlich dabei, zerborstene Fensterscheiben und Türen abzudichten. Neben der materiellen Hilfe kümmerten sie sich auch an vorderster Front in Form einer «psychologischen Erstbetreuung» um die Betroffenen und halfen ihnen, ihre Erlebnisse aufzuarbeiten und sich nach und nach zu erholen. Die Geschichten, die wir über diesen Tag in Beirut gehört haben, sind herzzerreissend.  

Eine vergessene Krise

Während sich in der Zwischenzeit die medialen Schlagzeilen auf die aktuelle Krise in der Hauptstadt Beirut konzentrieren, sind wir nach wie vor mit der Bewältigung der Krise beschäftigt, die uns ursprünglich in den Libanon führte: Ramia und den Tausenden anderen syrischen Flüchtlingen sowie den gefährdeten libanesischen Familien zu helfen, die Unterstützung benötigen.  
Unsere ersten Einsätze fokussierten sich auf die Errichtung von Notunterkünften – um zu gewährleisten, dass die Menschen nicht mehr länger im Schlamm schlafen mussten. Wir erweiterten unser Programm dann sehr schnell mit medizinischen und psychosozialen Unterstützungsleistungen, nachdem wir erkannt hatten, dass die Menschen aus Syrien bereits vor ihrer Flucht kaum Zugang zu medizinischer Versorgung gehabt hatten, und nachdem wir die emotionalen Auswirkungen ihrer Erlebnisse sahen. Da die Menschen verzweifelt versuchten, Notunterkünfte in der Bekaa-Ebene zu errichten, starteten wir zudem ein innovatives Kartierungsprojekt, um sicherzustellen, dass die syrischen Flüchtlingsfamilien auch von humanitären Organisationen ausfindig gemacht werden konnten. 

Humanitäre Krisen sind niemals statisch, und deshalb mussten wir in den letzten acht Jahren im Libanon auf viele zusätzliche und sich immer wieder ändernde Krisen wie Überschwemmungen, Brände und abrupte politische Veränderungen reagieren, welche die syrischen Flüchtlinge erneut obdachlos machten. Allein im Jahr 2020 haben wir unsere Programme radikal angepasst, um die weitere Ausbreitung von COVID-19 eindämmen zu können – wir haben ein Isolationszentrum gebaut und dafür gesorgt, dass das Personal in den von uns unterstützten Gesundheitszentren über die nötige Ausbildung und das Material verfügt, um sich selbst schützen zu können sowie COVID-19-Fälle zu erkennen und zu behandeln. Wir haben ausserdem lokale Organisationen bei der Verteilung dringend benötigter Hygieneartikel wie Toilettenpapier und Seife an gefährdete Familien unterstützt.  

Sich ständig ändernde Notlagen

Seit Oktober 2019 hat sich die Situation im Land dramatisch verändert. Ein wirtschaftlicher Abschwung hat die Kosten für lebensnotwendige Güter in die Höhe getrieben und zu einem Mangel an Arbeitsperspektiven geführt. In der Bekaa-Ebene haben viele Menschen – auch Flüchtlinge – ihre Jobs verloren oder erhebliche Einkommenseinbussen hinnehmen müssen. Und natürlich ist da auch noch die COVID-19-Pandemie. Viele Flüchtlingsfamilien leben im Bekaa-Tal in informellen Siedlungen, in denen die beengten Platzverhältnisse wenig Gelegenheit für «Social Distancing» oder zur Isolation bieten. Oft fehlt es den Menschen ausserdem an sauberem Wasser zum Händewaschen. Ohne Beschäftigung sind zahlreiche gefährdete Familien – sowohl syrische wie auch libanesische – nicht mehr in der Lage, sich die zur Behandlung von COVID-19 notwendige medizinische Versorgung zu leisten.  

Wie das Beispiel Libanon zeigt: Humanitäre Notlagen können sich jederzeit ändern und verlagern. Deshalb ist es für uns so wichtig, anpassungsfähig und innovativ zu bleiben – bereit, den von uns unterstützten Gemeinschaften zuzuhören und die Herausforderungen zu erkennen, mit denen sie konfrontiert sind. Als sich die Explosion in Beirut ereignete, waren wir in der Lage, umgehend zu reagieren. Mitglieder unserer Teams waren schon am nächsten Tag in Beirut, wo sie mit Familien zusammenkamen und die Bedürfnisse der am härtesten getroffenen Menschen aufnahmen – andere wiederum blieben in der Bekaa-Ebene und unterstützten weiter gefährdete Familien in der Region.

Ihre Hilfe zählt 

Natürlich war unsere Fähigkeit zur schnellen Reaktion auf die Explosion teilweise der Anpassungsfähigkeit und dem Innovationsgeist unseres Teams zu verdanken – deren selbstloses Engagement ist wahrhaft bewundernswert. Sie wären jedoch nicht dort vor Ort ohne die grossartige Unterstützung unserer Geldgeber, die mittels grosser und kleiner Spenden einen finanziellen Beitrag leisten.  

Der Zugang zu privaten Mitteln ermöglicht es uns als humanitäre Hilfsorganisation, schnell auf Notlagen reagieren zu können, auch wenn sich diese im Rahmen einer grösseren Krise entwickeln. Diese nicht-zweckgebundenen Mittel ermöglichen eine rasche Bedarfsanalyse und die sofortige Erbringung von notwendiger Hilfe: Beispielsweise der Beschaffung von Notfallmaterialien wie Planen und Seilen sowie die logistische Koordination, damit wir so schnell wie möglich da sein können, wo wir am dringendsten gebraucht werden. Die finanzielle Unterstützung durch private Spender ermöglicht uns Flexibilität und macht es möglich, mehr Menschen helfen zu können. Wir sind dankbar, dass wir die Möglichkeit hatten, schnell auf die Explosion in Beirut reagieren zu können, und wir werden dank des Engagements unserer Unterstützer und deren Grosszügigkeit auch weiterhin für gefährdete syrische Familien da sein.  

Hier klicken, um mehr über unseren Nothilfeeinsatz im Libanon zu erfahren. 


Wir trafen Badea kurz nach der Explosion in Beirut. Die schnelle Spendenbereitschaft hat uns geholfen, sofort Hilfe zu leisten. «Ich bin 61», erzählte Badea unserem Team. «Ich habe mehr als 10 Kriege und Konflikte erlebt, aber eine solche Verwüstung habe ich noch nie gesehen. Im Krieg konnten wir uns in unseren Häusern, in Schulen oder Gesundheitseinrichtungen verstecken. Jetzt können wir nirgendwo hingehen oder uns zurückziehen. Wir leben auf der Strasse.» 

 

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