Geschichten

Wie weit würden Wir gehen?

Der Zugang zu Gesundheitsdiensten in Notlagen

Vielleicht sind es Berge, Dschungel oder eine prekäre Sicherheitslage. Vielleicht Proteste oder Überschwemmungen. Vielleicht fehlt auch einfach das Geld. Millionen von Menschen auf der ganzen Welt haben kaum oder gar keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, insbesondere während humanitärer Notlagen. Welche Hürden Familien in Ländern, in denen wir uns engagieren, überwinden müssen und was wir tun, um ihnen zu helfen, erfahren Sie hier.

 

AFGHANISTAN – Ein Fahrzeug fährt durch bergiges Gelände im Zentralen Hochland.

Rund 41 Prozent der in Afghanistan lebenden Kinder sind unterernährt – eine der höchsten Raten weltweit, so das UN-Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten. Familien in den entlegenen Dörfern des Zentralen Hochlands haben jedoch kaum Zugang zu der notwendigen Behandlung von chronischer oder akuter Unterernährung. Gesundheitseinrichtungen in den benachbarten Gemeinschaften sind oft unterversorgt. Grössere Spitäler der Provinz zu Fuss, mit dem Esel oder dem Auto zu erreichen, kann mehrere Stunden oder Tage dauern. Vor allem im Winter, wenn die Strassen durch Regen oder Schnee unpassierbar werden, ist der Weg von einem Dorf zum anderen eine Herausforderung.

 

Ein Kind im Zentralen Hochland wird in einer mobilen Gesundheitseinrichtung auf Unterernährung untersucht.

Unsere Ernährungsteams nutzen mobile Gesundheitseinrichtungen, um entlegene Gemeinschaften im Zentralen Hochland zu erreichen. Auf dem Weg dorthin müssen Familien immer noch beträchtliche Entfernungen über Bergpässe und Täler zurücklegen, doch weniger als üblich. «Wäre das Ernährungsteam nicht in mein Dorf gekommen, hätten wir drei Stunden zur nächsten Klinik laufen müssen.» erzählt Amina, die ihren Sohn zur Behandlung gebracht hat. Die Dienstleistungen von Medair werden von den Menschen angenommen. Für die Zukunft ihrer Kinder kommen sie regelmässig zur Behandlung in unsere mobilen Gesundheitseinrichtungen.

 

Jihad, ein ausgebildeter Physiotherapeut, der mit unserem Team in Syrien zusammenarbeitet, schnallt einen kleinen Jungen in einen von Medair zur Verfügung gestellten Rollstuhl.

Nach Angaben des UN-Programms zur Bewertung des humanitären Bedarfs sind in Syrien mittlerweile 27 Prozent der Bevölkerung über 12 Jahren in ihrer Mobilität eingeschränkt. Aufgrund der zerstörten Infrastruktur gibt es jedoch wenig Unterstützung für diese Menschen. Wir stellen wichtige Gesundheitsdienste zur Verfügung und rehabilitieren beschädigte Gesundheitseinrichtungen in Syrien. Dazu gehören die Bereitstellung von Räumen und Schulungen für physiotherapeutische Dienste. Zudem versorgen wir betroffene Menschen mit Mobilitätshilfen wie Rollstühlen und Rollatoren. So können sie sich sicher und würdevoll in ihrer Gemeinschaft bewegen.

 

 

SÜDSUDAN – Kalayn, Mitte, sitzt mit einer Gruppe von Frauen vor einer von Medair unterstützten Gesundheitseinrichtung in Pibor County.

Nach Angaben des UN-Amtes für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung im Südsudan medizinisch unterversorgt. Gewalt, beschränkte Infrastruktur und Naturkatastrophen wie Überschwemmungen erschweren den Zugang zu lebensrettenden medizinischen Diensten. Wir arbeiten in einigen der entlegensten und am schwersten zu erreichenden Gebieten des Südsudan und helfen bei der Grundversorgung von Gemeinschaften, die auf Unterstützung angewiesen sind.

 

 

Freiwillige tragen Masernimpfstoffe durch einen überschwemmten Fluss zu einer Gemeinschaft in Pibor County.

Unsere Gesundheitsteams im Südsudan sind mit dem Auto, zu Fuss und per Boot unterwegs, um Gemeinschaften ohne Gesundheitsversorgung zu unterstützen. Viele unserer Mitarbeitenden und Freiwilligen kommen dabei direkt aus den unterstützten Gemeinschaften. Sie spielen eine wichtige Rolle dabei, die Hilfe dorthin zu bringen, wo sie gebraucht wird. Wir gehen die Extrameile, doch die unterstützten Gemeinschaften stehen uns dabei in nichts nach.

 

 

Haier, 22, sitzt mit ihrem Sohn Mustafa in einer von Medair unterstützten Gesundheitseinrichtung in Renk County im Südsudan.

Haier war auf der Suche nach Behandlung für ihren unterernährten Sohn Mustafa monatelang unterwegs. «Ich war im Sudan, habe private Spitäler besucht, nichts hat geholfen», sagt sie. Nach monatelanger Reise kam sie mit ihrem Sohn im Arm in eines der von uns unterstützten Behandlungszentren in Renk County. Dort wurde schlagartig alles besser. «Alle Versuche in der der Vergangenheit waren gescheitert. Als ich hierherkam, hat sich alles geändert», erzählt Haier. Ihre Hartnäckigkeit hat sich ausgezahlt: Mustafa ist jetzt auf dem Weg der Besserung.

 

LIBANON – Zerstörung in Beirut nach der verheerenden Explosion im Hafen der Stadt am 4. August 2020.

Im Libanon haben Familien ein extremes Jahr hinter sich. Schon vor der verheerenden Explosion im letzten August hatte das Land mit wirtschaftlichen und politischen Unruhen einschliesslich Protesten und Strassensperren zu kämpfen. Dann kamen die Covid-19-Lockdowns. Die Summe der Krisen hatte fatale Folgen für das Gesundheitssystem im Land: Nach Angaben des zuständigen Ministeriums ist die Zahl der Routineimpfungen bei Kindern seit Beginn der Coronakrise um 47 Prozent zurückgegangen.

 

 

Ein Vater spielt mit seinem Sohn, während sie in einer von Medair unterstützten Gesundheitseinrichtung im Bekaa-Tal auf einen Arztbesuch warten.

Aufgrund des wirtschaftlichen Abschwungs und der Abwertung des libanesischen Pfunds können Impfstoffe wie der gegen Covid-19 ein Monatsgehalt kosten. Sowohl für einkommensschwache libanesische wie auch aus Syrien geflüchtete Familien ist das unerschwinglich. Im Libanon bieten wir in Gesundheits- und sozialen Einrichtungen in Zentral-, West- und Nord-Bekaa medizinische Erstversorgung an, um den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu verbessern. Zu diesen Diensten gehört die kostenlose Grundimpfung von Kindern.

 

 

DEMOKRATISCHE REPUBLIK KONGO – Ein Mitglied des Medair-Gesundheitsteams überquert einen überfluteten Fluss auf dem Weg zu einer abgelegenen Gesundheitseinrichtung in einem Dorf in der Provinz Nord-Kivu.

© Medair / Odile Meylan

Unsere Gesundheitsteams nehmen enorme Anstrengungen auf sich, um abgelegene Gemeinschaften im Osten der DR Kongo mit medizinischer Grundversorgung zu erreichen. Auf den manchmal tagelangen Reisen werden sie begleitet von engagierten Mitgliedern der Gemeinschaft und Spitalpersonal. Wir bringen Medikamente und Geräte dorthin, wo sie am dringendsten benötigt werden. Unsere Einsätze unterstützen von Gewalt betroffene Familien. Dabei bieten wir Kindern unter fünf Jahren, schwangeren Frauen und frischgebackenen Müttern kostenlose medizinische Unterstützung.

 

 

Jeanne (im grünen Kleid) steht vor der Entbindungsstation einer Gesundheitseinrichtung in der Provinz Nord-Kivu. Jeanne ist schwanger. Wie auch die Frauen neben ihr, steht sie kurz vor der Geburt.

Viele von Medair unterstützte Familien leben in abgelegenen Gebieten und hätten ohne diese Hilfe keinerlei Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Jeanne (im grünen Kleid), die im achten Monat schwanger ist, muss nun nicht mehr durch gefährliches Gebiet reisen, um sicher zu entbinden. Sie wird die letzten zwei Wochen ihrer Schwangerschaft in dieser von Medair unterstützten Gesundheitseinrichtung in Nord-Kivu verbringen. Die medizinische Betreuung dort ist kostenlos und qualitativ hochwertig. «Manchmal ist es einsam hier», meint Jeanne. «Aber ich fühle mich gut aufgehoben, weil es hier Ärzte und medizinisches Personal gibt, die auf uns aufpassen.»

 

 

JORDANIEN – Afif, ein Geflüchteter aus Syrien, steht vor dem Zelt, in dem er nördlich von Amman mit seiner Frau und seinem Sohn lebt.

© Medair / Mona van den Berg

Viele schutzlose und geflüchtete Familien wie die von Afif kämpfen auch noch zehn Jahre nach Beginn der Syrien-Krise ums Überleben. Die Lebenshaltungskosten in Jordanien sind hoch – das gilt auch für grundlegende Dienstleistungen wie die Gesundheitsversorgung. Betroffene Familien können Lebensmittel und Miete oft kaum bezahlen, von Gesundheitsversorgung ganz zu schweigen. «Viele Familien haben einfach kein Geld für Spitalrechnungen übrig», sagt Razan, Mitglied des Gesundheitsteams von Medair in Jordanien.

 

 

 

Lena, links, hält ihren Sohn Abbas, während ihre Schwiegermutter Saadya zuschaut. Saadya, Lena und ihre Familie kommen aus Syrien. Sie sind 2011 vor der Krise in Syrien geflohen und leben seit Jahren in diesem Zelt am Rand von Amman.

Abbas brauchte nach seiner Geburt eine lebensrettende Operation. Er wurde operiert und ist heute ein glücklicher, gesunder kleiner Bub, doch die mit der Operation verbundenen Kosten waren unerschwinglich. Der Druck, die Rechnung für die Operation bezahlen zu müssen, war eine zusätzliche Belastung für Abbas.
Unser jordanisches Team hat die Kosten für die Operation im Rahmen unseres Geld-für-Gesundheit-Programms übernommen. Im Rahmen dieses Programms wird schutzbedürftigen Familien geholfen, wichtige und potenziell lebensrettende medizinische Behandlungen zu bezahlen, die sie sich sonst vielleicht nicht hätten leisten könnten. «Ohne diese Unterstützung hätten wir betteln müssen», sagt Saadya. «Wir hätten das unmöglich bezahlen können.»

 

 

Ihre Unterstützung überwindet Hindernisse beim Zugang zu medizinischer Versorgung für einige der schutzbedürftigsten Familien rund um die Welt.

Dieser Artikel wurde von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar.

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