Geschichten

Ukraine-Krise: Beziehungen knüpfen und Wissen austauschen

Psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung in Ukraine und Polen

In einem Augenblick kann sich alles ändern.

Das wissen Familien in der Ukraine und in vielen anderen Teilen der Welt nur zu gut. An einem Tag ist das Leben wie immer. Am nächsten Tag zerstört eine Naturkatastrophe die gesamte Habe oder man ist auf der Flucht vor einem bewaffneten Konflikt. Häufig kommen betroffene Familien in einem Lager oder einer Notunterkunft unter. Ihre Kinder fragen sehsüchtig, wann sie wieder nach Hause oder zur Schule gehen können. Das Leben wurde über Nacht vollständig auf den Kopf gestellt.

Psychosoziale Unterstützung ist für von Krisen wie der in der in der Ukraine betroffene Menschen besonders wichtig. Diese Unterstützung kann die Verarbeitung von Erlebtem erleichtern und helfen, mit der neuen Situation besser zurechtzukommen. Die Bereitstellung von psychosozialen Diensten ist daher ein wichtiger Schwerpunkt unserer Arbeit in der Ukraine-Krise.

A woman cries as she hugs a loved one.

Eine Frau verabschiedet sich unter Tränen von einem geliebten Menschen an der ukrainisch-polnischen Grenze. ©Medair / Dale MacMillan

In der Ukraine arbeiten wir mit Trauma Support Ukraine (TSU) zusammen, einer Kooperation aus drei Organisationen: Trauma Company, Sounds of Change und Safe & Sound. Diese Organisationen haben langjährige Erfahrung in Schulungen zur traumasensiblen Unterstützung in akuten Krisensituationen. In Zusammenarbeit mit TSU bieten wir wöchentliche Fokusgruppen und Webinare zur beruflichen Weiterbildung für psychologische und psychosoziale Fachkräfte in der Ukraine an.

Durch die gezielte Schulung von psychosozialem Fachpersonal vor Ort stellen wir sicher, dass trotz der anhaltenden Krise traumasensible Unterstützung angeboten werden kann. Diese Fachkräfte kennen die lokalen Verhältnisse und die Sprache. So können die, die trotz der anhaltenden Krise weiterhin weiter arbeiten, wichtige psychosoziale Unterstützung anbieten. Einmal im Monat werden auch die Fachkräfte selbst betreut.

Die Schulungen finden online über Plattformen wie Zoom und WhatsApp statt, sodass Fachkräfte aus der ganzen Ukraine mitmachen können.

«Onlineschulungen sind flexibel. Die Fachkräfte haben von überall aus Zugang, egal ob sie in einer Notunterkunft, in einem Haus oder auf dem Weg in ein Nachbarland sind. So können wir wertvolle Beziehungen knüpfen und Wissen auszutauschen», sagt Anne van den Ouwelant, Expertin für Traumapsychologie sowie Gründungsmitglied und Ausbilderin der Trauma Company. «Es gibt immer wieder Fragen wie: Wenn die Sirenen losgehen, fangen die Kinder an zu erbrechen. Was sollen wir tun? Oder: Sollen wir mit den Kindern über den Konflikt sprechen? Wie sollten wir das tun?»

«Das Training ist so gestaltet, dass die Informationen gut verständlich und anwendbar sind», erklärt Anne.

«Wir vermitteln Wissen und Informationen auf praktische und einprägsame Weise, denn die Konzentrationsfähigkeit wird durch Anspannung und Stresssituationen beeinträchtigt. Wir bieten kurze Informationen und Techniken, die die Menschen sofort sowohl für sich selbst als auch in ihrer Arbeit anwenden können.»

Zu diesen Techniken gehören Dinge wie Klopftherapie, Atemtechniken und Imaginationsübungen sowie Musik-, Kunst- und Bewegungsaktivitäten. Sie unterstützen Menschen dabei, mit Emotionen umzugehen, und stärken ihre Widerstandsfähigkeit. Sie geben ihnen ein Gefühl der Kontrolle und helfen, beugen so weit wie möglich der Entwicklung von Traumafolgestörungen vor.

«Wenn eine traumatische Situation wochenlang anhält, müssen wir Momente schaffen, in denen die Alarmglocke nicht läutet, wie kurz diese Augenblicke auch sein mögen», sagt Anne. «Diese unterstützen die Betroffenen dabei, trotz der Veränderungen geerdet und ruhig zu bleiben.»

«Onlineschulungen sind hilfreich, da wir viele Menschen erreichen können», fügt sie hinzu. «Momentan erreichen wir 150 Fachkräfte. Angenommen, jede betreut fünf Menschen, macht das im Ergebnis 750. Das ist eine grosse Reichweite.»

A woman serves a dish to a person sitting.

Eine Frau gibt einer gerade aus der Ukraine angekommenen Familie eine warme Mahlzeit. ©Medair / Dale MacMillan

Auch in Polen schulen unsere Teams Freiwillige in psychologischer Erster Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine. Dabei ermutigen sie die Freiwilligen gleichzeitig, auf ihre eigene psychische Gesundheit zu achten.

«In Krisen wie dieser neigen wir dazu, unsere eigenen Bedürfnisse zu unterschätzen und uns mit anderen zu vergleichen», sagt Riёt Kroeze, leitende Beraterin für psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung bei Medair. «Aber psychosoziale Unterstützung ist auch für Freiwillige, Menschen, die Geflüchtete aufnehmen, und andere wichtig.»

«Wir setzen uns dafür ein, dass Fachkräfte Zugang zu psychologischer Unterstützung, Supervision und Schulung haben und Freiwillige über die notwendigen Fähigkeiten verfügen, für ihre eigene psychische Gesundheit zu sorgen und anderen dieselbe Unterstützung zu bieten.»

Neben der psychosozialen Unterstützung arbeitet das Nothilfeteam von Medair in Polen und der Ukraine daran, Lücken in der medizinischen Grundversorgung zu schliessen sowie die Hilfsmassnahmen von Freiwilligenorganisationen zu koordinieren und damit zu stärken. Wir planen auch die Reparatur von kritischer Infrastruktur wie Spitälern, Wassersystemen und Notunterkünften.

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Alle Fotos ©Medair / Dale MacMillan

Dieser Artikel wurde von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar.

 

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