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Überschwemmung, Hunger, Krankheit: Hilfe für Familien im Südsudan

An diesem Tag verlor Lakchia nicht nur einen geliebten Menschen, sondern auch die einzige Einkommens- und Existenzquelle ihrer Familie. Am selben Tag wurde auch ihr Vieh gestohlen. Dann kam die Überschwemmung. Zusammen mit ihren Nachbarn und sechs Kindern floh Lakchia auf trockeneres Gebiet. «Ich habe mein gesamtes Hab und Gut zurückgelassen und als ich zurückkam, war alles weg», sagt sie. Jetzt sammelt sie Brennholz, um es zu verkaufen und damit ihre Familie über Wasser zu halten.

«An manchen Tagen haben wir etwas zu essen – wenn ich Brennholz sammeln konnte. Wenn ich kein Brennholz finde, essen wir eben nicht. Wir essen nur einmal am Tag. Wir haben Hunger.»

Nyandit steht mit ihrem Baby Akudo an einer Masernimpfstation von Medair.

Nyandit und ihre vierköpfige Familie leben in einer nahe gelegenen Ortschaft, die nur mit dem Boot zu erreichen ist. Auch sie hat ihr Vieh verloren, als bewaffnete Männer ihre Stadt überfielen. «Nicht lange nach dem Angriff kam die Überschwemmung», erzählt Nyandit. «Davor haben wir den Boden umgegraben, um ihn für die Ernte vorzubereiten. Doch dann kam das Wasser. Und unser Vieh wurde gestohlen. Jetzt haben wir Hunger.»

Eine Reihe von Überschwemmungen und interkommunalen Konflikten hat den Staat Jonglei und das Verwaltungsgebiet Greater Pibor im Südsudan seit 2019 stark in Mitleidenschaft gezogen und zur Zerstörung von Eigentum und Existenzen, Hunderten von Todesopfern und Massenvertreibungen geführt.

Anfang August 2020 begannen die Wasserstände zu steigen, und die gewaltvollen Konflikte nahmen ab. Nicht lange danach wurde die Region erneut von schweren Überschwemmungen heimgesucht, von denen über 520 000 Menschen betroffen waren1. Einige Gebiete waren ganz abgeschnitten, während andere Regionen nur per Boot oder durch kniehohes Wasser watend erreichbar waren. Die Menschen leben unter beengten Bedingungen auf kleinen Inseln von trockenem Land – wenn es aber regnet, werden auch diese überschwemmt.

Die Menschen in Pibor County haben kaum Zeit, sich von einer Katastrophe zu erholen, bevor die nächste hereinbricht.

Ein Community Health Mitarbeiter bereitet im Rahmen der Impfkampagne von Medair eine Masernimpfung vor.

Als ein Masernausbruch bereits gefährdete Familien in der Region bedrohte und seit Mitte November 300 Masernverdachtsfälle gemeldet worden waren, lancierte Medair eine Massenimpfkampagne für über 18 000 Kinder unter fünf Jahren. Die hoch ansteckende Infektionskrankheit verbreitet sich unter 90 Prozent nicht immuner Menschen, die mit einer infizierten Person zusammenleben. Bei Menschen, die in beengten Verhältnissen leben müssen, stellt dies eine ernst zu nehmende Gesundheitsbedrohung dar. Aufgrund der hohen Unterernährungsraten sind die Kinder im Südsudan anfälliger für derartige Erkrankungen und potenzielle Komplikationen durch Masern sind lebensbedrohlich.

Mit dem Rückgang der Überschwemmungen werden die Gemeinschaften, die derzeit noch durch Wasser voneinander getrennt sind, wieder vermehrt interagieren – daher ist die Impfkampagne entscheidend für den Schutz gefährdeter Kinder und dafür, die Ausbreitung dieser potenziell tödlichen Krankheit zu stoppen.

Und so sehen sich Familien wie die von Lakchia und Nyadit mit einer weiteren Krise konfrontiert. Ihre Geschichten sind keineswegs aussergewöhnlich. Sie zeigen einen lediglich kleinen Ausschnitt gemeinsamer Erfahrungen: Vertreibung, Überschwemmungen, interkommunale Gewalt, verlorene Existenzen und Ernährungsunsicherheit. Eine Krise beginnt noch während eine andere abklingt, und jede Krise hinterlässt bleibende Auswirkungen innerhalb der Gemeinschaft.

Lakchia watet durch Wasser und Schlamm zu ihrem überschwemmten Heim

Wir von Medair können nicht alle Herausforderungen, mit denen die Menschen in Pibor konfrontiert sind, verhindern. Doch wir können helfen, die Ausbreitung einer lebensbedrohlichen Krankheit zu stoppen. Durch das Impfen von 18 000 Kindern eliminieren wir ihr Risiko, an Masern zu erkranken, und Mütter wie Lakchia und Nyadit haben einen Grund weniger zur Besorgnis.


Das Nothilfeeinsatzteam von Medair im Südsudan wird vom Europäischen Amt für humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz (ECHO), der britischen Regierung und von grosszügigen privaten Spendern unterstützt. 

Die Inhalte dieses Artikels stammen von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten sowie am internationalen Hauptsitz. Die Meinungen entsprechen ausschliesslich den Ansichten von Medair und damit nicht unbedingt auch dem offiziellen Standpunkt anderer Hilfsorganisationen.

1 South Sudan Flooding Snapshot 18 November 2020

2 Médecins Sans Frontières Press Release 3 Nov 2020

3 Center for Disease Control and Prevention

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