Geschichten

Mütter und ihr Wohlbefinden stärken

Mütter für ihr Wohlbefinden stärken

Auch zehn Jahre nach Beginn der Syrien-Krise befinden sich immer noch über 700 000 Geflüchtete in Jordanien. Familien sind aus Syrien geflohen und haben ihre Häuser verlassen, die für Generationen ihr Zuhause waren. Für Betroffene ist dies eine enorme wirtschaftliche, soziale, emotionale und physische Herausforderung. Viele fühlen sich hoffnungslos und haben keine Bewältigungsstrategien. Das Sozialschutzprogramm von Medair bietet notleidenden jordanischen Familien und Geflüchteten bedingungslose Bargeldhilfe. Psychologische und psychosoziale Betreuung helfen Familien darüber hinaus, positive Bewältigungsstrategien und Alltagskompetenzen zu entwickeln.

 

Für Mütter aus Syrien waren diese Strategien sehr wichtig. *Zara, eine Witwe, ist eine syrische Geflüchtete, die 2012 mit ihren vier Kindern nach Jordanien kam. Wie die meisten Geflüchteten in Jordanien lebte sie in einem urbanen Gebiet anstelle einem Lager. Unterstützung erhielt sie lediglich in Form von Lebensmittelgutscheinen. Aus Verzweiflung und Sorge um ihre Kinder weinte Zara jeden Tag. Im Jahr 2021 wurde Medair über Zaras Fall informiert und nahm Kontakt mit ihr auf. Nach einer Prüfung wurde Zara in das Programm von Medair aufgenommen. Fünf Monate lang erhielt sie Bargeldhilfe. Gemeinsam mit einer Betreuerin, Amneh, steckte sie sich Ziele, arbeitete an Bewältigungsstrategien und ihrem Selbstwertgefühl.

 

Auch wenn das erhaltene Geld für Zara eine grosse Hilfe war, sehnte sie nach einer erfolgreichen Arbeit, wollte positiv denken und nicht mehr weinen. Sie wollte endlich frei sein von ihren lähmenden Ängsten und ihrer Depression. Amneh half ihr, einen Fallplan zu erstellen, und vermittelte sie an externe Angebote. Zara war nicht klar, welchen Einfluss die Psyche sowohl körperlich als auch emotional haben kann und weigerte sich, zu einem Psychiater zu gehen. Mit Amneh an positivem Denken und Atemtechniken zur Bewältigung ihrer Ängste zu arbeiten, war für Zara jedoch in Ordnung. Nachdem die Sitzungen abgeschlossen waren erklärte sie, dass Amneh fast zu einem Familienmitglied geworden sei. Sie fühlte sich wie neu geboren. Zara fand einen Job und arbeitet jetzt drei Tage die Woche.

 

Noura flüchtete 2012 mit ihrer Familie und ihrer kleinen Tochter aus Syrien nach Jordanien. Als junge syrische Geflüchtete und Mutter hatte die psychosoziale Unterstützung für sie eine lebensverändernde Wirkung. Noura und ihre Familie traten dem Programm von Medair bei und erhielten fünf Monate lang finanzielle Unterstützung. Medairs Betreuerin, Amneh, erfasste die Bedürfnisse der Familie und gemeinsam erarbeiteten sie Ziele und Bewältigungsstrategien. Dank der finanziellen Unterstützung von Medair konnte die Familie Lebensmittel kaufen, Rechnungen bezahlen und Medikamente für den kranken Vater besorgen.

 

Als Amneh mit der Betreuung begann und zum ersten mal zu der Familie nach Hause kam, war Noura sehr schüchtern. Ihre Tochter war nicht an Fremde gewöhnt und hatte bei den ersten beiden Sitzungen noch Angst. Noura hatte fast 10 Jahre lang in Jordanien gelebt und immer noch traute sich nicht, ihr Haus zu verlassen und andere Menschen zu treffen. Amneh merkte, dass das auch Auswirkungen auf ihre Tochter hatte. Als sie an der Formulierung von Zielen arbeiteten, bestand Nouras erste Aufgabe darin, mit ihrer Tochter in den Park zu gehen.

Amneh, Sozialschutzbeauftragte von Medair, im Gespräch mit Noura (ganz links) und ihrer Familie während einer Bedarfsermittlung in ihrem Haus in Amman.

Noura und ihre Tochter spielen während eines Besuchs in ihrem Haus in Amman, Jordanien

Durch die Arbeit mit Amneh begann Noura, ihre Fähigkeiten zu erweitern. Sie hat eine Weiterbildung angefangen und ist fest entschlossen, einen Abschluss zu machen. Sie hofft, dass auch ihre Tochter in Zukunft eine Ausbildung abschliessen wird. Amneh sagt über die Arbeit mit Noura, dass sie kaum wiederzuerkennen ist und ein ganz neues Selbstbewusstsein ausstrahlt. Amneh erklärt: «Die Menschen, mit denen wir arbeiten, haben viele Probleme, leiden unter Stress, leben oft unter schwierigen Bedingungen. Viele haben ihre Familie verloren. Sie müssen lernen, wie sie mit dem Erlebten umgehen und es bewältigen können. Sie brauchen diese Fertigkeiten zum Überleben.»

Noura erzählt von den Aktivitäten, an denen sie nach den Sitzungen mit neu gewonnenem Selbstvertrauen teilnehmen kann

Zaras und Nouras Geschichten sind nur einige der vielen in Jordanien, die zeigen, dass die Menschen oft die emotionalen und psychologischen Folgen ihrer Erlebnisse nicht abschätzen können. Das betrifft insbesondere Geflüchtete und Familien in Not. Diese Fälle führen den Mitarbeitenden von Medair immer wieder vor Augen, wie fürchterlich die Folgen von Armut, Vertreibung und bewaffneten Konflikten sind.

 

Ali Almaany, Projektmanager für Sozialschutz bei Medair, erklärt: «Probleme gleichen einem Eisberg. Sie [die Menschen] sehen die langfristigen Auswirkungen der dysfunktionalen Bewältigungsstrategien nicht.»

 

Corona hat bestehende Ungleichheiten verschärft, und die anhaltende Krise in Syrien hat viele Menschen aus ihrer Heimat vertrieben und in Ungewissheit gestürzt. Medair bietet umfassende Leistungen, die gleich an mehreren Stellen ansetzen. Das Programm von Medair in Jordanien hat sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt und deckt mit einem ganzheitlichen Gesundheitsansatz den steigenden Bedarf ab. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass das Wohlergehen eines Menschen mehr erfordert als nur den Zugang zu medizinischer Versorgung.

 

 


Die Arbeit von Medair in Jordanien wird durch die Unterstützung des deutschen Auswärtigen Amtes, der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, der Europäischen Kommission für Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe, des U.S. State Department’s Bureau of Population, Refugees, and Migration (PRM) sowie private Spenden ermöglicht.

Dieser Artikel wurde von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar.

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