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Jemen: Ein Sturm der Krisen

Die humanitäre Krise im Jemen ist die weltweit Schlimmste auf der ganzen Welt, trotzdem redet kaum jemand darüber.

Schon vor dem aktuellen Konflikt war der Jemen das ärmste Land auf der arabischen Halbinsel. Ein unterentwickeltes Gesundheitssystem, Wasserknappheit und politische Spannungen stellten das Land vor Herausforderungen. Seit Beginn des Konflikts 2015 hat sich die Lage dramatisch verschlechtert. Bei einer Bevölkerung von 30 Millionen Menschen benötigen derzeit 20,7 Millionen humanitäre Hilfe. Alle Bereiche des täglichen Lebens sind von dem Sturm der Krisen betroffen.

Darunter ist die Gesundheitsversorgung. Nur die Hälfte der Gesundheitseinrichtungen des Landes ist funktionsfähig, und das in einer Zeit, in der 20,1 Millionen auf medizinische Hilfe angewiesen sind. Der eingeschränkte Zugang zu sauberem Wasser verschlimmert das Risiko von durch Wasser übertragenen Krankheiten. Dies wiederum kann kompliziertere Folgen wie Unterernährung nach sich ziehen. Der Zugang zu Grundleistungen wird weiter erschwert durch den schlechten Zustand von Strassen, die durch heftige Regenfälle und den anhaltenden Konflikt stark beschädigt wurden.

Auch die allgemeinen Lebensbedingungen im Lande verschlechtern sich zunehmend, teilweise bedingt durch die rückläufige Wirtschaft und den Kaufkraftverlust der Landeswährung. Dies hat die Preise für Lebensmittel und lebenswichtige Güter in die Höhe getrieben. Früher grundlegende Nahrungsmittel sind heute zu einem Luxusgut geworden. Gleichzeitig beeinträchtigen steigende Treibstoffpreise Grunddienste wie die Versorgung mit sauberem Trinkwasser oder die Funktionsfähigkeit von Gesundheitseinrichtungen.

Alles hat Auswirkungen auf alle und alles. Die Lage ist komplex und hat sich durch wiederholte Vertreibungen der Menschen aus Krisengebieten und Covid-19 leider noch verschlimmert.

Inmitten dieser humanitären Krise ist unser Team vor Ort unermüdlich im Einsatz. Wir unterstützen so viele Menschen wie möglich. Dazu gehören die Bereitstellung von Grundnahrungsmitteln und medizinischer Versorgung sowie Wasser-, Hygiene- und Sanitärdienste für die Menschen im Jemen. Unsere Teams legen weite Strecken zurück, um gefährdete Gemeinschaften zu erreichen, oft in abgelegenen Gebieten, in denen nur wenige andere Organisationen tätig sind. Im Rahmen unserer Projekte unterstützen wir Gesundheitseinrichtungen mit Material und Geräten und schulen Gesundheitspersonal. Teams von Freiwilligen vermitteln unterernährte schwangere Mütter und Kleinkinder für lebensrettende Behandlungen. Gleichzeitig sorgen wir für sauberes Wasser in Gesundheitseinrichtungen und installieren Handwaschanlagen und sanitäre Einrichtungen.

Inmitten dieser grossen und komplexen humanitären Krise geben wir unser Bestes. Die Situation ist nach wie vor äusserst belastend und oft das einzige Gesprächsthema bei Treffen mit Bekannten oder der Familie. Leider werden auch diese Treffen immer seltener. Jemen galt einst als Arabia Felix, übersetzt «das glückliche Land». Heute herrscht dort die grösste humanitäre Krise der Welt – doch wir haben Hoffnung, dass es irgendwann wieder das glückliche Land wird.

 

 

Die Dienstleistungen von Medair im Jemen werden von der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, dem Jemenitischen Fonds für humanitäre Hilfe – Jemen OCHA, World Vision, dem Büro für humanitäre Hilfe (BHA/USAID) sowie von privaten Spendenden finanziert.

Dieser Artikel wurde von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar.

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