Geschichten

Ich weiss nicht, wie es weitergehen soll

«Um 18 Uhr an jenem Abend war der Strom bereits ausgefallen. Es war völlig finster. Es gab weder Radio- noch Telefonempfang. Ich konnte nicht einmal meine Familie in Tegucigalpa anrufen, um sie zu beruhigen, dass ich in Sicherheit bin», sagte Dr. Suny, als sie von der Nacht des 3. November 2020 berichtete, in welcher der Hurrikan Eta auf Honduras traf und eine Spur der Verwüstung hinterliess.

«Ich hörte, wie Menschen draussen schrien und panisch umherliefen. Der Wind und der Regen waren so intensiv, dass ich kein Auge zumachen konnte, doch der Sturm nahm immer noch an Stärke zu. Um 2 Uhr morgens schaute ich aus dem Fenster und konnte nichts ausser herumfliegenden Zweigen sehen. Der Regen war so stark und dicht, dass ich nichts mehr erkennen konnte.»

Als Dr. Suny am nächsten Tag ihre Wohnung in Puerto Lempira, einer Stadt im Nordosten von Honduras, verliess, stellte sie fest, dass viele Gebäude beschädigt waren und die Anlegestelle, die den lebenswichtigen Zugang zu den abgelegenen Dörfern per Boot ermöglichte, komplett unter Wasser stand. Fest entschlossen, denjenigen zu helfen, die auf der Suche nach Schutz in die Stadt geflohen waren, schloss sie sich den lokalen Behörden an, um sauberes Wasser zu verteilen. «Ich musste einfach etwas unternehmen, um zu helfen.»

«Zwei Wochen später, als die Menschen gerade anfingen wieder auf die Beine zu kommen, traf uns ein weiterer Wirbelsturm – Hurrikan Iota», erzählte sie. Iota folgte demselben zerstörerischen Kurs wie Eta und versetzte die Gemeinschaften erneut mit heftigem Regen und starken Winden in Angst und Schrecken. «Ich fragte mich immer wieder, wie um alles in der Welt die Leute das bloss durchstehen sollten. Iota würde sicher zerstören, was Eta vorher noch verschont hatte. Wie würden die Menschen das nur überleben?»

In den folgenden Tagen flohen über 175 000 Menschen auf der Suche nach Schutz aus ihren Häusern, da schwere Überschwemmungen und Erdrutsche diese beschädigt und einen Grossteil der Felder gerade vor der Ernte vernichtet, Strassen zerstört und ganze Gemeinschaften von der Aussenwelt abgeschnitten hatten. «Rund 4000 Menschen suchten in Puerto Lempira Zuflucht. Die Unterkünfte waren überfüllt und die Not der Menschen, die so viel verloren hatten, war überwältigend», so Dr. Suny.

Eine Woche nach der zweifachen Katastrophe landete das Medair-Nothilfeteam in Honduras, um mit einer Bedarfsanalyse zu beginnen und auf die dringendsten Bedürfnisse zu reagieren. Dr. Suny begleitete das Team auf einer über vierstündigen Bootsfahrt, um einige der abgelegenen Gemeinschaften in Gracias a Dios zu erreichen. «Viele der Angehörigen des Miskito-Volkes, die ich im Laufe der Jahre kennen und lieben gelernt habe, leben in bitterer Armut und sind durch diese beiden Katastrophen auf tragische Weise besonders gefährdet», erklärte Dr. Suny, nachdem sie sich mit lokalen Entscheidungsträgern getroffen hatte, um die Schäden zu ermitteln.

Für die vier Millionen Menschen, die von den Hurrikans betroffen sind, beginnt nun ein langer, beschwerlicher Weg des Wiederaufbaus. «Ich weiss nicht, was wir machen sollen», sagt Raoul, Vorsteher einer Gemeinschaft, während er vor seinem Haus knietief im Wasser steht. Weitverbreitete Überschwemmungen bedeuten, dass die Menschen weder Zugang zu sauberem Trinkwasser noch zu sanitären Einrichtungen haben. Diese sind jedoch entscheidend, um den Ausbruch von Krankheiten zu verhindern. Ohne Ernten ist zudem der Mangel an Nahrung für Mensch und Tier eine verheerende Tatsache.

«Medair ist eine von nur zwei internationalen Organisationen, die in diese Region gekommen sind, um die Miskito-Gemeinschaften zu unterstützen», sagte Dr. Suny, während unser Team damit begann, die Familien mit wichtigen Hilfsgütern wie Seife, Chlortropfen zur Reinigung des Trinkwassers, Behältern zur Aufbewahrung von Wasser und persönlichen Hygieneartikeln zu versorgen. Ausserdem wird Medair sechs beschädigte Gesundheitseinrichtungen instand stellen, sodass die medizinische Grundversorgung gewährleistet ist und diese auch wieder sauberes Wasser zur Verfügung haben. «Ich bin sehr froh darüber, dass ich die Organisation dabei unterstützen kann, den Zugang zu besserer Hygiene- und Gesundheitsversorgung für die Menschen zu verbessern, zu einer Zeit, in der sie dies so dringend benötigen.»

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