Der lange Weg des Wiederaufbaus
Paola ist als Kommunikationsmitarbeiterin für Medair in Mosambik. In diesem Blog schildert sie ihre ersten Eindrücke aus dem Katastrophengebiet nach dem Zyklon Idai.
Paola ist als Kommunikationsmitarbeiterin für Medair in Mosambik. In diesem Blog schildert sie ihre ersten Eindrücke aus dem Katastrophengebiet nach dem Zyklon Idai.
Am 14. März 2019 traf der Tropensturm Idai die Küste Mosambiks mit voller Wucht und verwüstete weite Teile des Landes. Viele Menschen starben, Häuser und Infrastruktur wurden schwer beschädigt oder zerstört. Sintflutartige Überschwemmungen setzten ganze Dörfer unter Wasser. Tausende von Menschen flohen auf Dächer und Bäume. Viele Familien wurden bei der Flucht getrennt, während andere auf Häusern gefangen waren und mehrere Tage lang keinen Zugang zu Nahrung und Wasser hatten. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind in Mosambik 1,85 Millionen Menschen von den Zerstörungen von Zyklon Idai betroffen. Da in den kommenden Tagen weitere Gewitter vorhergesagt sind und ein grösserer Ausbruch von Cholera befürchtet wird, bleibt die Situation extrem volatil.
Wenige Tage nach dem Zyklon wurde ich als Mitglied von Medairs-Nothilfeteam ins Katastrophengebiet entsandt. Mein erster Gedanke? Dass jede Notsituation absolut unvorhersehbar ist. Egal, wie gut man sich im Vorfeld darauf vorbereitet – die Realität vor Ort ist jedes Mal anders. Was hingegen immer gleich abläuft: Zwischen den Menschen, die aus verschiedenen Teilen der Erde zusammen kommen, um Hilfe zu leisten, entsteht sehr schnell ein freundschaftliches Miteinander.
Als wir in Beira landeten, dämmerte es bereits. Am Flughafen war dennoch viel los, Mitarbeitende verschiedener NGOs trafen nacheinander ein und tauschten sich aus. Ein extra für NGOs eingerichtetes Koordinationszentrum am Flughafen diente uns humanitären Helfern dazu, die bevorstehenden Nothilfeeinsätze genau planen zu können. Wenige Minuten nach der Landung legten wir auch schon los, knüpften Kontakte und teilten unser Wissen über Logistik, Kommunikation und den Bedarf vor Ort mit Kolleginnen und Kollegen anderer Hilfsorganisationen.
Nach Zyklon Idai richten Regierung und humanitäre Hilfsorganisationen ein Koordinationszentrum am Flughafen Beira ein, um die Nothilfeeinsätze zu planen und zu koordinieren.
Am folgenden Tag reisten wir in abgelegene Gebiete, um das Ausmass der Zerstörung mit eigenen Augen zu beurteilen und die dringendsten Bedürfnisse zu ermitteln. Unser Fahrer hiess Lancaster. Er sprach kein Englisch, wir verständigten uns deshalb auf besondere Weise: Ich stellte meine Fragen auf Spanisch, er beantwortete sie auf Portugiesisch. Während Notlagen gilt es vielerlei Herausforderungen zu bewältigen. Da ist eine Extraportion Kreativität oft sehr gefragt.
Unsere Reise führte über die einzige Strasse, die die Stadt Beira mit dem Rest des Landes und der Hauptstadt Maputo verbindet. Während der Fahrt sahen wir viele beschädigte Häuser, ihre Dächer vom starken Wind oft vollständig abgedeckt. Je weiter wir fuhren, desto sichtbarer wurde das Ausmass der Zerstörung. Tagelang war die Hauptstrasse aufgrund der Schäden gesperrt gewesen und damit die entlegenen Dörfer vom Rest des Landes abgeschnitten. Mittlerweile ist die Strasse zum Glück wieder befahrbar, allerdings oft nur einspurig.
Die Hauptstrasse, die Beira mit dem Rest des Landes verbindet, wurde vom Zyklon schwer beschädigt und war tagelang unbefahrbar. © Medair / Eric Itin
Auf der Fahrt in den Bezirk Nhamatanda hatten wir Dolmetscher dabei. Einer von ihnen, Adrian, sagte: «Wir alle sind von der Katastrophe betroffen. Der lokale Markt war drei Tage lang geschlossen. Viele Produkte sind nicht mehr erhältlich und die Preise für grundlegende Nahrungsmittel steigen kontinuierlich». Links und rechts der Strasse sind immer noch Wasserlachen zu sehen. Das Gebiet wurde nicht nur vom Zyklon getroffenen, sondern auch von den damit einhergehenden Überschwemmungen verwüstet. Die meisten Lehmhütten in der Region wurden komplett weggespült. Diejenigen, die noch stehen, sind schwer beschädigt. «Bis die Menschen hier wieder auf die Füsse kommen – das wird eine ganze Weile dauern», schätzt Adrian. «Die Katastrophe ereignete sich zudem kurz vor der Erntesaison. Ganze Ackerflächen wurden einfach weggeschwemmt. Und neues Saatgut haben wir hier nicht». Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge wurden rund 500 000 Hektar Ackerland überschwemmt. Ernte und Vieh haben schweren Schaden genommen, die Existenz zahlreicher Familien ist bedroht. Die Ernährungslage in Zentral-Mosambik wird sich damit erheblich verschlechtern.
Im Bezirk Nhamatanda errichten Überlebende am Strassenrand Notunterkünfte aus Holz und Plastik. © Medair / Eric Itin
Betroffene tun, was sie können, um die Situation aus eigener Kraft zu bewältigen. In Nhamatanda sahen wir temporäre Unterkünfte aus Holz- und Kunststoffplatten. Andere haben ihre eigenen temporären Hütten am Strassnrand aufgeschlagen.
Männer suchen in überschwemmten Gebieten im Bezirk Nhamatanda nach Fisch und anderen Lebensmitteln, die sie essen oder verkaufen können. © Medair / Eric Itin
In Nhamatanda angekommen, treffen wir einheimische Beamte, um sie zur Lage vor Ort zu befragen. «Die meisten Menschen hier lebten in Häusern, die dem Wirbelsturm leider nicht standhalten konnten», erklärt der Bezirksleiter. «Viele Betroffene haben ihr ganzes Hab und Gut verloren. Ganz besonders dringend benötigen wir Abrigos und Comida (Unterkünfte und Nahrungsmittel).»
Menschen stehen Schlange bei einer Güterverteilung im Dorf Lamego.
Lamego, ein Dorf mit 29 000 Einwohnern, wurde besonders schlimm getroffen. Die Wasserstände stiegen so rapide an, dass ganze Häuser komplett von den Wassermassen verschluckt wurden. Viele Menschen waren vom Hochwasser eingeschlossen und konnten nicht fliehen. Während wir eine Runde durch die Ortschaft machen, werden wir dennoch immer wieder mit einem freundlichen «Bomdia» (Guten Tag) begrüsst. Wir treffen einen jungen Mann, der ein Bein nachzieht. Er erzählt uns, was passiert ist. «Es war schrecklich. Jemand aus meiner Familie ist im Sturm zu Tode gekommen. Ein Teil des Gebäudes stürzte auf mich herab. Seither kann ich mein Bein nicht mehr richtig bewegen. Wir brauchen dringend weitere Unterstützung.»
Eine Frau aus Lamego zeigt, bis wohin das Hochwasser reichte, das auf Zyklon Idai folgte. © Medair / Eric Itin
Zwei Schulen im Städtchen wurden so stark beschädigt, dass sie schliessen mussten. Zum Glück ist einer der Brunnen in der Stadt unversehrt geblieben. So ist zumindest ein Teil der Bewohner weiterhin mit sauberem Trinkwasser versorgt. Andere Stadtteile hatten nicht so viel Glück. Es ist wichtig, dass die beschädigten Brunnen umgehend repariert werden, damit die Menschen so rasch wie möglich wieder Zugang zu sauberem Trinkwasser haben.
Diese Frau schöpft lächelnd sauberes Trinkwasser aus einem Brunnen in Lamego. Zum Glück wurde er während der Katastrophe weder kontaminiert noch zerstört.
«Die Einheimischen sind regelmässiges Hochwasser gewohnt. Doch diesmal war es viel schlimmer», berichtet ein Auswanderer, der bereits seit vielen Jahren in der Region arbeitet. «Dies ist die schlimmste Überschwemmung seit 1976. Viele Betroffene sind bei mir untergekommen – auf der Veranda, oben im Gästezimmer, in unserem Gästehaus und in meinem Auto.»
Eine Gruppe Kinder vor dem Flughafen in Beira. Nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen sind rund die Hälfte der 1,7 Millionen vom Zyklon betroffenen Menschen minderjährig.
Ich habe die Zerstörung durch Zyklon Idai mit eigenen Augen gesehen, habe mit Überlebenden gesprochen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Hilfe hier dringend gebraucht wird. Familien müssen umgehend mit Unterkünften, sauberem Trinkwasser und medizinischen Leistungen versorgt werden, damit Krankheitsausbrüche, insbesondere Cholera, verhindert werden können. Der Weg des Wiederaufbaus ist lang. Und dennoch bin ich zuversichtlich: Wenn ich sehe, wie verschiedene humanitäre Hilfsorganisationen ihre Kräfte bündeln, um Betroffene dieser schrecklichen Katastrophe schnellstmöglich zu unterstützen, macht mir das Mut. Und ich bin glücklich, wenn auch ich in den kommenden Monaten ein kleines Stückchen dazu beitragen kann, dass die Überlebenden wissen, dass sie nicht vergessen sind und von der Welt gehört werden.
Möchten Sie Familien in Mosambik helfen, sich von der Katastrophe zu erholen? Ihre Unterstützung wird dringend benötigt.
Wir freuen uns sehr über Ihre Spende an unseren Nothilfefonds für Mosambik.
Es besteht auch die Möglichkeit, unsere Arbeit monatlich zu unterstützen. So können wir in den kommenden Wochen flexibel auf die dringendsten Bedürfnisse in Mosambik reagieren – und Betroffenen dabei helfen, ein neues Leben aufzubauen. Herzlichen Dank.
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