Amina Kathun: In ständiger Angst leben – das hält kein Mensch aus

Die 18-jährige Amina Kathun lebt mit ihren Eltern, zwei Brüdern und einer Schwester in einer behelfsmässigen Unterkunft im Rohingya-Flüchtlingscamp Kutupalong. Sie berichtet davon, was ihre Familie auf der Flucht erlebt hat, wie das Leben in Bangladesch ist – und wie sie sich ihre Zukunft vorstellt.

Die 18-jährige Amina Kathun lebt mit ihren Eltern, zwei Brüdern und einer Schwester in einer behelfsmässigen Unterkunft im Rohingya-Flüchtlingscamp Kutupalong. Sie berichtet davon, was ihre Familie auf der Flucht erlebt hat, wie das Leben in Bangladesch ist – und wie sie sich ihre Zukunft vorstellt.

Eine äusserst schmerzhafte Entscheidung  

Im August 2017 erreichten wir das Lager Kutupalong. Als Minderheit wurden wir in unserer Heimat Myanmar unterdrückt, die Situation wurde immer schlimmer. Irgendwann hielten wir es nicht mehr aus und ergriffen die Flucht. Sein Heimatdorf und geliebte Menschen zurückzulassen – das ist eine der schwersten Entscheidungen, die man im Leben treffen kann. Aber die Gewalt rückte immer näher und erfasste schliesslich unser Dorf, wir hatten keine Wahl.

Auf unserer Flucht rannten wir den nächstliegenden Hügel hinauf und blickten auf die Häuser herab. Jemand hatte unser Dorf angezündet, es brannte vor unseren Augen nieder. Das mitansehen zu müssen, tat unglaublich weh. Doch wir konnten nicht lange darüber nachdenken, hatten keine Zeit zu verlieren. Die Reise von Myanmar nach Bangladesch war alles andere als einfach. Zehn Tage waren wir unterwegs. Ich hatte grosse Mühe mit dem weiten Fussmarsch – und meine kleine Schwester natürlich noch mehr.

Mein Leben im Lager

Mit leeren Händen erreichten wir schliesslich Cox’s Bazar in Bangladesch. Die Einheimischen waren sehr nett zu uns, sie gaben uns Holz und Bambus. Damit konnten wir immerhin eine Art Notunterkunft bauen. Und, was noch wichtiger war, sie versuchten uns immer wieder zu trösten. Das war sehr wichtig für uns, denn die erste Zeit nach der Flucht war schwierig, immer wieder kamen schmerzliche Erinnerungen hoch und gleichzeitig war das Leben in Bangladesch noch so neu für uns.

Hier im Camp fühle ich mich nun sicher. Ich kann mich frei bewegen, bin zufrieden und habe neue Freunde gefunden. Nein, einsam bin ich nicht. Aber am Anfang war es richtig schwer. Die ganze Zeit fühlte ich mich traurig und nervös. In Gedanken war ich immer bei meinen Verwandten und dachte an all die schlimmen Sachen, die ihnen zugestossen sind. Zuhause in Myanmar lebte ich in ständiger Angst. Auch dort konnte ich mich zwar relativ frei bewegen, aber ich tat es selten. Zu gross war meine Anspannung. So zu leben – das hält doch kein Mensch aus.

Froh, dass ich meinen Leuten helfen kann

Derzeit bin ich freiwillige Ernährungsmitarbeiterin bei Medair. Der Job ist super: Ich kann in die Ernährungsklinik gehen, mit den Kindern dort spielen und Leute treffen. Auf diesem Weg habe ich Freunde gefunden.

Dass ich zudem meinen Landsleuten mit meiner Arbeit helfen kann, freut mich sehr. Ich erkläre den Frauen und Männern, wie wichtig eine gute Hygiene ist und zeige ihnen, wie sie ihre Kleinkinder am besten füttern sollen. Auch setze ich mich dafür ein, dass die Menschen im Lager von den Leistungen der Gesundheitsklinik erfahren. Schwangeren und stillenden Frauen sowie Familien mit Kindern unter fünf Jahren empfehle ich, sich bei der Klinik zu melden, um bei Bedarf Zugang zu unserem Ernährungsprogramm zu erhalten.

Viele mangelernährte Mütter und ihre Kinder erholen sich dank der Nahrungsergänzung von World Concern und Medair. Dies zu beobachten, macht mich glücklich. Ich bin froh, dass ich zu diesem Erfolg etwas beitragen und mich nützlich machen kann. Mit dem verdienten Geld schaffe ich es sogar, meine Familie ein wenig zu unterstützen. Darauf bin ich stolz.

Ob ich Myanmar vermisse? Natürlich. Mir fehlt meine Schule. Englisch war mein Lieblingsfach. Ich möchte später Lehrerin werden. Myanmar ist meine Heimat. Doch ich kann nicht zurückkehren, solange es keinen Frieden gibt. Zuhause musste ich in ständiger Angst leben. Und das halte ich einfach nicht mehr aus.


Im Flüchtlingslager Kutupalong in Bangladesch versorgen World Concern und Medair Rohingya-Familien mit lebensrettenden Leistungen. In drei Ernährungskliniken werden unterernährte schwangere und stillende Frauen und Kinder unter fünf Jahren behandelt und erhalten hochwirksame Nahrungsergänzungsmittel. In Bangladesch arbeitet Medair eng mit freiwilligen Ernährungshelfern zusammen. Die Mitarbeitenden suchen Flüchtlingsfamilien in ihren Unterkünften auf, informieren sie über die medizinischen Angebote von Medair und zeigen ihnen, wie sie Lebensmittel herstellen und konservieren und Unterernährung vorbeugen können. Für ihre Einsätze erhalten sie eine kleine Entlöhnung.

Fotos von Medair/Tam Berger

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