Geschichten

Alle Menschen haben ein Recht auf psychische Gesundheit

Selbsthilfegruppen für psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung in Jordanien

Khadeja und ihre Kinder sind 2012 aus Syrien nach Jordanien geflüchtet. Der Neuanfang stellte sie und ihren Mann vor grosse Herausforderungen. Sie mussten eine Wohnung und Schulen für ihre Kinder finden. Khadeja fühlte sich einsam. Sie hatte Schwierigkeiten, sich in dem neuen Umfeld zu integrieren und mit anderen zu kommunizieren. Khadejas Sohn Ahmad war bei der Flucht erst 7 Jahre alt gewesen, er und seine Geschwister hatten zwei Jahre lang keine Schule besucht. «Alles war kompliziert, die Suche nach einer Schule, wir hatten keine Wohnung und nichts zum Anziehen», sagt Ahmad.

Die Flucht aus Syrien nach Jordanien war für Khadeja eine grosse psychische Belastung. In Syrien hatten sie und ihr Mann eine feste Arbeit und ihre Kinder waren gesund. Jetzt hat ihr Mann keine feste Anstellung, das Geld ist knapp und Khadeja macht sich Sorgen um Ausbildung und Gesundheit ihrer Kinder. Khadeja besucht mit ihrem Sohn Ahmad zusammen Medairs Selbsthilfegruppen für Erwachsene und Gruppen für Heranwachsende und Betreuungspersonen. In den Selbsthilfegruppen hat sie Atemtechniken gelernt und sich Zeit für sich zu nehmen, um Stress abzubauen. Daneben hat sie gelernt, wie sie die Beziehung zu ihren Kindern verbessern kann. Sie verbringt jetzt mehr Zeit mit ihnen und sie sprechen darüber, was ihnen auf dem Herzen liegt. Khadeja erklärt: «Psychisches Wohlbefinden ist wichtig, weil es sich auf unser gesamtes Verhalten auswirkt.» Für Khadeja bedeutet es beispielsweise, dass sie gut auf ihre Familie eingehen und die Herausforderungen des Lebens meistern kann.

Viele Menschen, die von Krisen und Konflikten betroffen sind, geht es ähnlich wie Khadeja. Sie leiden unter Stress, Angstzuständen und anderen psychischen Problemen. Das hat erhebliche Auswirkungen auf ihr Wohlbefinden und ihre Fähigkeit, die Herausforderungen des Alltags zu bewältigen. Eine Studie aus dem Jahr 2021 ergab, dass im Nahen Osten Konflikte, wirtschaftliche und politische Instabilität zu einer besonders hohen Verbreitung psychischen Problemen unter der Bevölkerung beigetragen haben. Für viele Geflüchtete ist bereits die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse eine Herausforderung, so dass psychische Gesundheit oft vernachlässigt wird.

MHPSS-Freiwillige von Medair moderieren Selbsthilfegruppen für Heranwachsende (Teil der Sitzungen für Heranwachsende / Betreuungspersonen). In dieser Sitzung sprachen die jungen Menschen über persönliche und familiäre Werte, Traditionen und ihre Wurzeln und darüber, wie sie sich zu diesen Werten verhalten.

Die Arbeit von Medair in Jordanien konzentriert sich hauptsächlich auf den Zugang zu medizinischer Versorgung. Das Landesprogramm verfolgt mittlerweile jedoch einen ganzheitlichen Gesundheitsansatz und setzt dabei auf Aktivitäten zur psychischen Gesundheit und psychosozialen Unterstützung (MHPSS), um das Wohlbefinden der Menschen zu steigern. Der Ständige Interinstitutionelle Ausschuss (IASC) definiert MHPSS als «jede Art von Unterstützung, vor Ort oder von aussen, die dem Schutz oder der Förderung des psychosozialen Wohlbefindens und/oder der Vorbeugung oder Behandlung psychischer Störungen dient». Die Freiwilligen von MHPSS und das Medair-Team in Jordanien arbeiten mit Selbsthilfegruppen für Erwachsene und Gruppen für Heranwachsende / Betreuungspersonen zusammen. Hier wird Geflüchteten und vulnerablen Jordanierinnen und Jordaniern ein Raum geboten, in dem sie mehr über ihre psychische Gesundheit erfahren und ihre Erfahrungen mit anderen teilen können. In den Gruppen für Erwachsene geht es um Themen wie Stressbewältigung, Gedankenmanagement und Umgang mit Trauer, Verlust und depressiven Gefühlen. In den Gruppen für Heranwachsende und Betreuungspersonen begleitet Medair jeweils eine Heranwachsende und ihre Betreuungsperson und unterstützt den jungen Menschen bei der Entwicklung sozialer und emotionaler Kompetenzen sowie beim Selbstmanagement. Medair will dabei die Beziehung zwischen Heranwachsenden und Betreuungspersonen stärken, damit sie miteinander kommunizieren können und ein besseres Gefühl der Verbundenheit entwickeln.

«Da ich selbst aus Syrien geflüchtet bin, kann ich die Erfahrungen nachempfinden, die viele Teilnehmende durch die Flucht gesammelt und die ihr Leben beeinflusst haben. Ich arbeite seit 14 Jahren im Bereich der psychosozialen Unterstützung und habe während meiner Freiwilligentätigkeit bei Medair erlebt, wie positiv sich diese Arbeit auswirkt.»— Rowaa, MHPSS-Freiwillige bei Medair.

Psychische Gesundheit hat Priorität in Jordanien, denn, wie MHPSS-Beauftragte Hanadi erklärt: «Psychische Gesundheit ist unverzichtbar. Sie bildet die Grundlage für Wohlbefinden. Wir alle müssen lernen, uns selbst und unsere Gefühle zu verstehen und herauszufinden, wie wir damit in diesem Leben umgehen können.» Sie erklärt, wie das Programm funktioniert: «Es kann den Menschen dabei helfen, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wie die psychische Gesundheit sich auf den Körper auswirken kann, und wie sie der Stigmatisierung der körperlichen, geistigen und sozialen Gesundheit entgegentreten können, um ein stärkeres Bewusstsein für die psychische Gesundheit zu schaffen. Es entsteht ein dynamischer Austausch zwischen Menschen, die ihre Erfahrungen teilen und gegenseitige Unterstützung erfahren.»


 

Das MHPSS-Programm von Medair in Jordanien wird von der Regierung der Vereinigten Staaten, der deutschen Regierung und durch private Spenden unterstützt.

Dieser Artikel wurde von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar.

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